Puten (auch Truthühner genannt) sind neugierige und intelligente Vögel. In freier Natur suchen sie sich ihre Heimat in Steppen, an Waldrändern und in lichten Wäldern, wo ihnen ein vielfältiges Nahrungsangebot zur Verfügung steht und wo sie sich in dichtem Unterholz verstecken, auf dem Boden ihre Nester bauen und auf Bäumen ihre Schlafplätze suchen. Puten in Freiheit leben außerdem in komplexen Sozialstrukturen zusammen: In den kälteren Jahreszeiten formieren sie nach Geschlechtern getrennte Verbände von mehreren hundert Tieren mit fester Rangordnung. In der Brutzeit leben weibliche Puten dagegen abgeschieden in Nistgruppen von 2 bis 5 Hennen. Nach dem Schlüpfen der Jungen schließen sich Hennen und Küken wiederum zu großen Brutherden zusammen. Sieben Monate lang werden die Jungtiere von ihren Müttern behutsam betreut und beschützt. Diese soziale Vielfalt erleben Puten in der Massentierhaltung nicht. Sie haben dort weder die Möglichkeit, kleine Gruppen zu bilden, noch die Gelegenheit, ihre Jungen aufzuziehen.
Leben in der Putenmast
In Deutschland leben zurzeit über 11,3 Mio. Puten in konventioneller Haltung. Dabei handelt es sich sowohl um männliche als auch um weibliche Tiere (Truthähne/Puter bzw. Truthennen/Puten). 88 % der Tiere werden in Betrieben mit 10.000 und mehr Truthühnern gehalten, wo sie getrennt nach Geschlechtern in großen Hallen mit jeweils mehreren Tausend Tieren – fast immer ohne Auslauf – gemästet werden. In dieser sogenannten Bodenhaltung leben die Tiere auf engstem Raum in einer kargen Umgebung ohne Beschäftigungsmöglichkeiten oder Ruheplätze (lediglich Einstreu, Trink- und Futtervorrichtungen sind vorhanden). Gegen Ende der Mastperiode sind (je nach Geschlecht) Besatzdichten mit bis zu 52 bzw. 58 kg Lebendgewicht pro m² üblich, was etwa fünf weiblichen oder drei männlichen Tieren pro m² entspricht. Welch extremen Platzmangel das für die Tiere bedeutet, verdeutlichen die Bilder weiter unten.
Da diese Haltungsbedingungen optimale Verbreitungsmöglichkeiten für Krankheitserreger bieten, werden den Tieren routinemäßig Antibiotika verabreicht. Dies kann für den Menschen gefährlich werden, da die Bildung von Resistenzen gefördert wird. Aufgrund der hohen Besatzdichte (und des Fehlens von Beschäftigungsmöglichkeiten) kommt es außerdem oft zu Auseinandersetzungen und schwerwiegenden Verletzungen zwischen den Tieren, weshalb den Vögeln die Schnäbel gekürzt werden (s.u.). An der Tatsache, dass zum Lebenserhalt der Puten derartige Maßnahmen nötig sind, wird deutlich, in welchem Ausmaß die »moderne Tierhaltung« der Natur der Masttiere zuwider läuft.
In 90 % der Putenmast wird in Deutschland die konventionelle Langmast praktiziert, in der die weiblichen Tiere 15–17 Wochen und die männlichen Tiere 19–22 Wochen lang gemästet werden. Die Kurzmast dauert dagegen bei beiden Geschlechtern nur 9–12 Wochen. Trotz der längeren Dauer nehmen die Puten (wie andere Tierarten auch) bei der Langmast täglich sogar noch mehr an Gewicht zu als in der Kurzmast: Bei Putern sind es durchschnittlich 138 g pro Tag (in Langmast) statt 65 g pro Tag (in Kurzmast).
Bei der Putenmast steht die möglichst schnelle Gewinnung von Fleisch im Vordergrund, was auf Kosten des Wohlbefindens und der Gesundheit der Tiere geht. So werden Mastputen, obwohl sie zum Schlafen Dunkelheit brauchen, fast permanent (sogar bis zu 24 Stunden) im Hellen gehalten, weil sie dann auch nachts die Futterstellen aufsuchen und schneller zunehmen. Aus demselben Grund wird in der Mast überwiegend die Rasse »Big 6« der Zuchtorganisation British United Turkeys (BUT) eingesetzt, die auf eine rasante Gewichtszunahme und den Aufbau eines überdimensionalen Anteils an (dem beim Menschen beliebten) Brustfleisch getrimmt wurde. Während ein männliches Küken dieser Putenhybridlinie etwa 60 Gramm wiegt, hat es sein Gewicht schon 19 Wochen später um mehr als das 300-fache – auf über 19 kg – gesteigert. Aufgrund der extremen Überzüchtung können sich die Puten am Ende der Mast kaum noch fortbewegen – viele verenden bereits vor der Schlachtung.
Zurückdrängung der Grundbedürfnisse der Puten
Zu den Grundbedürfnissen von Puten gehören Sozialverhalten, Körperpflege, Ruheverhalten, verschiedene Bewegungsarten (z. B. Flattern, Laufen, Rennen) und diverse Techniken der Nahrungssuche und -aufnahme, wie Scharren, Ausgraben, Picken, Hacken und Jagen. Das Ausleben vieler Bedürfnisse ist unter den Bedingungen der Intensivmast kaum möglich.
a) Nahrungssuche
In freier Natur verbringen Puten bis zu 50% ihrer aktiven Zeit mit der Suche, der Prüfung, der Bearbeitung und der Aufnahme von Nahrung. In der intensiven Putenmast werden die Puten jedoch mit Kraftfutterpellets gefüttert, wodurch sich die Zeit der Nahrungsaufnahme auf ca. 8 % der Tagesaktivitäten reduziert. Da ihr natürliches Beschäftigungsbedürfnis unerfüllt bleibt, fangen die Tiere schon im Kükenalter damit an, im Kot und an den Federn der Artgenossen herumzupicken – letzteres kann bis zum Kannibalismus führen. Um die Folgen solcher Verhaltensstörungen einzudämmen, werden den Vögeln bald nach dem Schlüpfen die empfindlichen Schnabelspitzen abgetrennt. Da es sich bei Schnäbeln um mit Nerven durchzogene, sensible Tastorgane – ähnlich den menschlichen Fingerspitzen – handelt, stellt diese Amputation (die sogar ohne Betäubung durchgeführt wird) einen extrem schmerzhaften Eingriff dar, der die Vögel ein Leben lang beeinträchtigt.
b) Körperpflege
Aufgrund ihrer übergroßen Brustmuskulatur und den damit verbundenen Problemen, das Gleichgewicht zu halten, putzen sich Puten gegen Ende der Mast nur noch liegend und dadurch mangelhaft. Auch das zur Gefiederpflege nötige Sandbaden kann mit fortschreitender Mastdauer immer schlechter ausgeführt werden, da kaum Platz zur Verfügung steht und da die Einstreu zunehmend verdreckt. Starke Verschmutzungen des Gefieders und Federverluste sind die Folge. 20–35% der Tiere leiden zusätzlich an schmerzhaften Brustblasen, die durch das ständige Sitzen auf der von Fäkalien durchnässten Einstreu verursacht werden.
c) Ruheverhalten
Das Bedürfnis, auf Bäumen oder ähnlichen Erhöhungen zu schlafen, ist auch bei den Intensivrassen stark ausgeprägt. Da jedoch in den meisten Masthallen entsprechende Vorrichtungen (wie Sitzstangen) fehlen, ist ein artgemäßes Ruhen für die Tiere unmöglich. Dieses Problem wird durch die überhöhten Besatzdichten verschärft, denn die Tiere stören sich durch ihre Bewegungen zwangsweise gegenseitig.
d) Sozialverhalten
Aufgrund der hohen Besatzdichte und der unüberschaubaren Anzahl an Tieren in den Hallen kann kein artgemäßes Sozialverhalten stattfinden. Schon ab einer Besatzdichte von knapp über 36,5 kg Lebendgewicht pro m² (welche in Deutschland, wie oben erwähnt, weit überschritten wird) kommt es zu fast dauerhaftem Stress und Konkurrenzverhalten (z. B. Drohen, aggressives Picken), was letztlich dazu führen kann, dass sich die Tiere trotz gekürzter Schnäbel gegenseitig schwerwiegende Verletzungen zufügen. Um Aggressionen zu reduzieren, werden Puten häufig in blauem Licht gehalten, das aufgrund ihrer spezifischen Licht- und Farbwahrnehmung beruhigend auf die Tiere wirkt.
Körperliche Leiden und Schäden der Puten
In der Massentierhaltung erfahren Mastputen regelmäßig die folgenden Schmerzen, Leiden und Schäden, die aus einer Kombination aus Überzüchtung (»Qualzucht«) und mangelhaften Haltungsbedingungen (z.B. eingeschränkter Bewegungsfreiheit) entstehen:
- Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
- Gestörte Knochenentwicklung der Beine (Beinschwächesyndrom)
- Erkrankungen des Skelettsystems
- Verformungen an den Fersengelenken
- Atemwegserkrankungen
- Brustblasen (Ansammlungen von Lymphflüssigkeit in einem Hautsack an der Brust)
- Verätzungen an den Fußballen, Fußballengeschwüre
Dem unnatürlich schnellen Wachstum der Muskulatur sind das Skelett und der restliche Organismus nicht gewachsen. So passiert es häufig, dass innere Organe der Tiere versagen. Zudem verfügen über 85 % aller Truthühner gegen Ende der Mast nicht mehr über eine normale Beinstellung und Fortbewegung. Einige von ihnen sterben einen langsamen Tod im Maststall, da sie es nicht mehr schaffen, sich zu den Trink- und Futterapparaturen zu schleppen und in der Folge verdursten (oder seltener auch verhungern). Die Putenkadaver bleiben von den Landwirten oft unentdeckt und verwesen direkt neben oder unter den lebenden Artgenossen. Bis zu 13 % der Tiere sterben in Folge von Krankheit, Verletzung oder Verdursten bereits während der Mast oder auf dem Weg zum Schlachthof.
Schlachtung der Puten
Jedes Jahr werden allein in Deutschland 37,7 Millionen Puten zum Fleischverzehr getötet. Zur Betäubung sind unterschiedliche Methoden gängig: Bei der CO2-Betäubung werden die Tiere per Fließband in einen Tunnel gefahren, der mit einem Kohlendioxidgemisch angereichert ist. Das Gasgemisch verursacht Erstickungsgefühle und ein starkes Brennen auf den Schleimhäuten. Erst nach etwa einer Minute sind die Tiere vollständig betäubt. Für die Wasserbadbetäubung werden die Tiere dagegen kopfüber an ihren Füßen in die Bügel einer Förderkette eingehängt, die die Puten durch ein Elektro-Wasserbad zieht und dann zu einer Entblutungsmaschine fährt, in der den Tieren mit mechanisch bewegten Klingen die Halsschlagadern durchtrennt werden.
Beim hastigen Einhängen der Vögel in die Bügel der Förderkette und kurz danach – also noch vor der Betäubung – kommt es bei 80–90% der Puten zu Verletzungen mit Blutaustritt und häufig sogar zu Knochenbrüchen.
Noch schlimmer trifft es die Tiere, die nur unzureichend betäubt werden. Dies ist nicht selten der Fall, da die Puten Hals und Kopf reflexartig nach oben biegen und dadurch mit dem Kopf nicht oder kaum durchs Wasser gezogen werden. Bei den fehlbetäubten Tieren kommt es meist zu Mängeln bei der Entblutung, weil sie sich stark und panikartig bewegen, wodurch der Kehlschnitt unsauber verläuft. Dies führt dazu, dass die Puten den Beginn ihrer weiteren Verarbeitung bewusst miterleben.
Vermeidbarkeit und Forderungen
Für die Haltung in der Putenmast existiert eine (im Jahr 2001 vom ständigen Ausschuss des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen angenommene) Europaratsempfehlung, die den Anspruch erhebt, durch ihre Haltungsvorgaben eine Verbesserung des Wohlbefindens einschließlich der Gesundheit von Mastputen zu gewährleisten. Die Empfehlung ist allerdings so minimal angesetzt und allgemein gehalten, dass sie in der Praxis wohl kaum zur Verbesserung des Wohlbefindens der Tiere beiträgt. Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt stellt deshalb folgende Mindestforderungen bezüglich der konventionellen Putenhaltung:
- Verwendung weniger überzüchteter Rassen (zur Reduzierung der körperlichen Leiden und der Verhaltensprobleme)
- strukturreichere Ausgestaltung der Ställe, z. B. mit Strohballen, Holzplattformen und Sitzstangen (zur Beschäftigung und als Ruheplätze)
- Bereitstellung vielfältigerer, kalorienärmerer Nahrung (zum Ausleben der nahrungsbezogenen Verhaltensweisen)
- Verbesserung der Stallhygiene, Bereitstellung stets trockener Einstreu (zur Erleichterung der Körperpflege)
- Verringerung der Besatzdichte auf höchstens 36,5 kg Lebendgewicht pro m² sowie möglichst Auslauf im Freien (zur Schaffung von mehr Bewegungsfreiheit und der Reduzierung von Aggressionen).
Darüber hinaus fordert die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt ein vollständiges Verbot des Schnabelkürzens. Nach § 6 des deutschen Tierschutzgesetzes ist Schnabelkürzen nur in Ausnahmefällen erlaubt. Trotzdem wird es bei allen Mastputen in Massentierhaltung standardmäßig durchgeführt, um die durch Aggressionen entstehenden Verletzungen und Todesfälle mit möglichst geringem Kostenaufwand in den Griff zu bekommen. Durch den Einsatz weniger aggressiver Rassen sowie durch die Verbesserung der Haltungsbedingungen kann erreicht werden, dass das Schnabelkürzen überflüssig wird.
Insgesamt widersprechen die gängigen Bedingungen in der Putenmast dem Gedanken von § 2 Nr. 1 und Nr. 2 des Tierschutzgesetzes, nach denen Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen gehalten werden sowie die Möglichkeit der Tiere zur artgemäßen Bewegung nicht derart eingeschränkt werden dürfen, dass ihnen Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Was können Sie tun?
- Wenn sie die oben beschriebenen Zustände nicht unterstützen wollen, essen Sie kein Putenfleisch. Auch von Bio-Pute ist abzuraten, da nicht auszuschließen ist, dass die Tiere in Biohaltung ähnlich schlimmen Bedingungen ausgesetzt werden. Zudem werden für die Biofleischherstellung in der Regel die gleichen unter Krankheiten leidenden Hochleistungsrassen eingesetzt.
- Wenn Sie Ihre Ernährung generell tierfreundlicher gestalten möchten, stehen wir Ihnen dabei gerne mit unseren Ernährungstipps zur Seite.
- Helfen Sie aktiv oder passiv dabei, die quälerische Tierhaltung abzuschaffen.
Quellen (sofern nicht bereits im Text verlinkt)
- Amtsblatt der Europäischen Union (2009): Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung
- Bergmann, S.M. (2006): Vergleichende Untersuchung von Mastputenhybriden (B.U.T. Big 6) und einer Robustrasse (Kelly Bronze) bezüglich Verhalten, Gesundheit und Leistung in Freilandhaltung
- Hoy, S. (2009): Nutztierethologie
- Hoy, S. (2006): Nutztierhaltung und -hygiene
- Hirt, A./Maisack, C./Moritz, J. (2007): Tierschutzgesetz. Vahlen Kommentare
- Weiß, J./ Pabst, W./Granz, S. (2011): Tierproduktion
- Willam, A/Simianer, H. (2011): Tierzucht