Tierschutzpolitik und Lobbyismus
November 2008
Der Tierschutz stagniert und kommt nicht voran, und es steht zu befürchten, dass er in Öffentlichkeit und Politik zur Bedeutungslosigkeit absinken wird.
Eine Infrastruktur ist zwar ausreichend und fast flächendeckend vorhanden. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist dagegen weitgehend abhanden gekommen. In den Medien ist Tierschutz äußerst ungenügend wahrnehmbar. Gelegentliche Meldungen werden eher dem Umweltschutz kreditiert. Insgesamt haben die Funkmedien einen konträren Stand eingenommen und fördern in subtiler Weise den konservativen Umgang mit den Mitlebewesen. Es ist zu beobachten, dass Tierversuche als Qualitätssiegel aufgebaut werden.
Naiv verharrt der Tierschutz im Schatten aller sozialen und wirtschaftlichen Bewegungen, bar jeglicher Werbebemühungen, bar jeglicher Anspruchsstellung. als Don Quichote der Neuzeit.
Mangels Mittel und Unterstützung erweisen sich weder politischer noch ethischer Lobbyismus als scharfes Werkzeug.
Insbesondere fehlt es an der Darstellung des Tierschutzes in der Öffentlichkeit. Es mangelt an der Werbung.
Nur in beständiger öffentlicher Präsentation des Themas wird sich eine landesweite Meinung bilden können. Bei Stillschweigen gehen die Leute zufrieden davon aus, dass alles seine Ordnung habe oder dass alles unbedeutend sei.
Die öffentliche Präsentation unterstreicht den Bedeutungsanspruch des Tierschutzes und fördert direkt politisch lobbyistische und ethisch moralische Bemühungen, ohne die alle Siege der Vergangenheit, Grundgesetz-Eintrag und weitere Erfolge als Pyrrhussiege zur Niederlage der Sache führen werden.
Werbung
In der Werbung, als Phase I einer Neubesinnung und eines neuen Anlaufes, hat es in der jüngsten Vergangenheit mehrere Versuche gegeben, die an abgehobenen und kurzsichtigen Vereinsführun- gen gescheitert sind und ganz sicher auch zukünftig zu scheitern versprechen. Vereinsübergreifende Interessenzusammenschlüsse, die sich durch Initiativen auszeichnen sollten, scheiterten regelmäßig durch kleinkarierte Quengeleien und gar Missgunst. Lähmende, unproduktive und kräfteverzehrende Vorgänge!
Eine dauerhafte Werbepräsentation in den Ballungszentren ist nur von einer vereinsneutralen, engagierten Gruppe zu bewerkstelligen, die in Zusammenarbeit mit Werbefachfirmen die Konzepte festlegt und die Verteilung über die einzelnen Vereine steuert, wobei die Bemühungen der ortsansässigen Vereine zu honorieren sind, um Leistung und Incentive beanspruchen zu können.
Am preisgünstigsten stellt sich hier die Plakatwerbung dar, die ausschließlich das Konzept Tierschutz; lediglich den Begriff TIERSCHUTZ, zu vermitteln hat und hierzu glückliche, auch naiven Bürgern bekannte Tiere, in gepflegter Umgebung mit Kurztexten prägnant abbildet.
Eine derartige, dauerhafte Werbekampagne erfordert größere Mittel, die in ihrer Summe die Finanzkraft auch der größten Vereine weit übersteigt. Um diese zu erwirtschaften, ist die Gründung eines TIERSCHUTZ-INVESTITIONSFONDS auf privater Basis und ohne Gemeinnützigkeit erforderlich in Termingeschäften tätig wird und an dem sich jedermann ab € 50,-- Einlage beteiligen kann. Nach Abzug der Abgeltungssteuer wird der Gewinn hälftig geteilt, wobei die eine Hälfte in den Werbefundus überführt und die andere auf Verlangen ausgezahlt wird.
Werden wir endlich realistisch. Benutzen wir die Werkzeuge und Methoden unserer Gegner.
Politik
Trotz etlicher Erfolge in der Vergangenheit, vergleichbar mit den Ansätzen des Natur- und Umweltschutzes, verfängt sich der Tierschutz derzeit in Stagnation, die bei näherer Beleuchtung verständlich wird.
Die Zielsetzung, Schutz der Tiere im Sinne der Rechtsgewährung, kann nur durch Eingriff in die gewachsenen Strukturen von Landwirtschaft, Industrie, Handel, Grundlagenforschung, medizinischer Ausbildung, Genforschung, traditionelle Ansprüche wie Jagd, Angelei, Zirkus, Tierwettbewerbe, usw. errungen werden, wobei alle genannten Interessengruppen über leistungsstarke Lobbyverbände an den zuständigen Entscheidungsstellen verfügen und mit negativen Auswirkungen für die Wirtschaft und die Gesellschaft drohen, sollten ihre Rechte beschnitten werden. So kann selbst der Anglerverband durchaus mit Stimmenboykott werben, da nicht bewiesen werden kann, ob und wie wirkungsvoll ein Enthalt ausfiele; andererseits jedoch die Tierschutzpartei seit je nicht mit Stimmengewinn aufwarten kann, woraus Wahlstrategen ihre Schlüsse ziehen können.
Medien
Alle Aufklärungsbemühungen des Tierschutzes werden stündlich durch die Medien, insbesondere die TV-Medien, gezielt ad absurdum geführt, mit dem lockeren Hinweis auf leckere Braten, einschlägige Menus, Wurst und Biofleisch.
Zunehmend werden Labortiere im weniger belastenden Versuch gezeigt, um die Selbstver-ständlichkeit zu fördern. Jäger sind stets Gutmenschen. Angeln wird der Jugend früh vermittelt und ist so erholsam und naturverbunden. Und man muss Verständnis aufbringen, wenn die Fischer etwas weniger fangen dürfen. Nie wird dargestellt, gar vorwurfsvoll, dass die Jäger etwa für die Ausrottung verantwortlich waren, wenn sie als Heger nämliches Tier wieder einzubürgern versuchen. Mit medialer Begleitung. Auch fällt immer wieder auf, wie genüsslich die Sender über Tierschutzgelder-Veruntreuung berichten. Nie jedoch über die erbrachten Leistungen. Auflistungen dieser Art können endlos fortgeführt werden. Fakt ist, dass die öffentlich-rechtlichen Sender einer linken Ideologie, unreflektiert anthropolozentrisch, verhaftet sind; man sehe sich die Personen der Rundfunkaufsichtsräte nur genauer an, und dass die Privaten von Werbung der Wurst, Fleisch und Pharmakologie leben.
Warum wohl werden in öffentlichen Lesungen keine Tierschutz–Bücher rezensiert? Nicht weil es sich um Sachbücher handelt, sondern weil es sich um Materie handelt, derer sich jedermann bewusst schuldig fühlt und niemand bereit ist, sich der wohligen Illusion der Selbstzufriedenheit zu entledigen. Aber ein Lobbyist wird scheitern, wenn er nicht am Ende des Horrors die (erreichbare) befriedigende Vision aufzeigt und vergisst, diese eingangs zu präsentieren.
Das wesentliche Problem Medien kann, so steht zu befürchten, nur durch eine dauerhafte Gegenoffensive zu den bekannten Darstellungen gelöst werden, die mit viel Zeit und großen Mitteln für Werbeschaltungen, letztendlich auch auf dem ideologischen Feld Einbrüche erzielen könnten.
Um diese Mittel bereitzustellen, empfehle ich die Gründung eines Investitionsfonds des Tierschutzes, der im Termingeschäft durchaus mittelfristig das erforderliche Vermögen erwirtschaften könnte, so ein Grundkapital von wenigen 100tsd zusammenkäme (inkl. Einlagen).
Dieser Fund wäre auch in der Lage, zentral gesteuerte Werbemaßnahmen, nicht existent in diesem Tierschutz, außerhalb der Medien zu koordinieren und zu bezahlen.
Für beide Teile ließe sich rasch eine tragfähige Konzeption erstellen.
Lobbyarbeit
Mit kontinuierlich hohem Mitteleinsatz unterhält die Industrie professionelle Büros mit fest angestellten, sachverständigen Mitarbeitern, die mit der Rückendeckung wirtschaftlich bedeutender Verbände und Konzerne in die Lage versetzt werden, über Länderministerien die Kontakte zur Bundesregierung zu knüpfen, zu halten und durch Einrichtung von Außenbüros am Regierungssitz zu vertiefen, nicht im Vorbringen und Versorgen von selbstrelevanten Informationen, sondern als nicht zu honorierende Berater und Mitarbeiter, die in Detailkenntnis für detailfremde Entschei- dungsträger generell unverzichtbar sind. In diese Beratungsleistungen werden die Eigeninteressen pragmatisch eingeflochten.
Der Tierschutz wird in der Öffentlichkeit als gemeinnützig orientiert wahrgenommen, mit all den mit diesem Begriff umschriebenen negativen Adjektiven: Feierabendengagement, arbeitsauf- wändig, fanatisch, kompliziert, verbissen, freudlos, unübersehbar im Sinne der Verpflechtung, zersplittert; jedes Kaff hat seinen eigenen Verein, uneins, zerstritten, tendenziell menschen- feindlich, politisch mit geringem Einfluss, unterschwellig aggressiv, medial ohne Einfluss.
Im Vergleich des Vorstehenden lassen sich drei Schlusssätze formulieren: Lobbyismus ist ein marktwirtschaftlicher Handel, in dem Mittel ausschlaggebend sind und Moral eine nachgeordnete Rolle spielt.
Folgerungen
Es bleibt festzustellen, dass der Tierschutz über alle Resourcen und Themenhoheiten verfügt, die sich eine Interessengemeinschaft zur Durchsetzung ihres Anliegens nur erträumen könnte.
Es bleibt weiter festzustellen, dass ein Weiter wie bisher nicht ausreicht und dass der Tierschutz das Fehlen einer politischen Zentrale teuer bezahlt und sich selbst in allen, außer seinen Kernbereichen, des politischen Gewichts entledigt, um einen status quo der politischen Bedeu- tungslosigkeit anzustreben.
Als Abhilfe wäre eine Gemeinschaftsstiftung mit den entsprechenden Vollmachten und Mitteln anzustreben, der alle Vereine angehören und die gleich der industriellen Lobbyisten professionell auf diesem Feld agiert.
Tierschutz muss an politischem Gewicht gewinnen.
Es kommt nicht auf die sichtbare Zahl der Streiter an, es kommt darauf an, welche Zahl im Hintergrund vermutet wird. Und es kommt nicht nur auf bahnbrechende Erfolge an; es kommt darauf an, darzulegen, wie die Umstände aussähen, gäbe es keinen Tierschutz.
Es kommt entscheidend darauf an, Tierschutz als Erfolgsgeschichte zu verkaufen und Visionen zu verbreiten, in denen sich jeder wieder zu finden vermag.
Die Ethik, in der zeitgenössischen Werteskala auf die Ebene einer Glaubensfrage reduziert, vermag wirtschaftliche Erwägungen nicht in entscheidender Form zu beeinflussen.
Kurz: Das Durchsetzungsvermögen einer Idee, als die Tierrecht oberflächlich betrachtet einstufbar sein mag, ist abhängig von dem zu erwartenden Nutzen, aktuell wirtschaftlichem Nutzen. Aus ökonomischer Sicht erscheint Tierrecht mithin als kontraproduktiv zum gesellschaftlichen Fortschritt, da es eine etablierte Industrie, die in ihrer Vielschichtigkeit ihresgleichen nicht aufweist, zwingend als Bedingung zu verdrängen hat. Und als Argument aus Sicht der Gegner lediglich eine nebulöse Heilslehre bieten kann. Maßstab aller Dinge ist die Mehrung des Nutzens für den gottebenbildlichen Menschen. Diesen Nutzen nicht aufzuzeigen ist das Manko der Tierrechts- bewegung und das schlagende Argument der Gegnerschaft. Wozu Tierrecht, das uns alle materiell zurückwirft und die Konkurrenz fördert.
Entscheidend für das Fortkommen des Tierrechts und das Durchbrechen der Pattsituation wird die Neubewertung der Einstellung zum Recht der Tiere sein, die ökonomisch nüchtern ausfallen muss und sich in Anpassung der zeitgenössischen Spielregeln an der Mehrung des Nutzens für den Menschen zwingend zu orientieren hat. Das einzige Argument mit Gewicht.
Tierrecht muss aufzeigen, dass Rechte für Tiere profitabel für die Wirtschaft werden könnten. Analog der Gestaltung der Ökologie.
Tierrecht muss wirtschaftliche Konzepte erarbeiten und die Motivation der Mitstreiter mit einer neuen Auffassung über Krisen und Erfolgsorientierung hinweg erhalten:
Nicht maßgebend ist die Frage: Wann zeitigt Tierschutz endlich Erfolge. Sondern: Um wie viel schlimmer stellte sich das Los der Tiere dar, gäbe es keinen Tierschutz.
Und: Tierrechte zu erstreiten, heißt wirtschaftlichen Erfolg in Aussicht zu stellen.
Die „Agrarpolitischen Leitlinien“ von PAKT könnten unter Hinweis auf die Intensivhaltung einen Schwerpunkt darstellen.
Die Intensivhaltung kann als immenser Kostenfaktor dargestellt werden, in Verbindung mit Antibiotika und dem drohenden Faktum einer Prä 45 genannten Situation (vor der Entdeckung des Pennicillin), in der Viren und Bakterien im Resistenzringen die Oberhand gewinnen können und werden.
Beide Themen gefährden den Menschen gravierend.
Die Treibhausgase in der Atmosphäre werden schwerpunktmässig von der Intensivhaltung, nicht von dem wirtschaftlich nicht verzichtbaren Verkehr verursacht.
Die alternative In-Vitro-Forschung nach der 3-R-Konzeption birgt einen globalen Wirtschaftszweig, vergleichbar mit der Einführung von Computern. Im Gegensatz zu der herkömmlichen Praxis, der Verbreitung der stets einlaufenden Horrormeldungen,deren Publikationen den Eindruck innerhalb des Tierschutzes und ausserhalb bei der zu bewerbenden Öffentlichkeit erwecken, dass Tierschutz erfolglos und alle Bemühungen nicht umsetzbar seien, sollte der Tierschutz seine Erfolge, sowohl vorhandene echte, als auch notfalls konstruierte, verkaufen.
Schwerpunktziele wären die Gestaltung des Tierschutzes als erfolgsorientierte, bilanzierungsfähige Erfolgsorganisation, die in den eigenen Reihen für motivierten Zulauf an Aktivisten und in der statischen Öffentlichkeit für wohlwollende Informationsaufnahme Sorge zu tragen hätte. Ein Tierschutz, der wie in der bisherigen Praxis als gramgebeutelter freudloser Miesepeter in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, muss sich, sagen wir als Konzession an den Zeitgeist, als eher freudvolles Happening darstellen und neben Festen, auch mit Freibier, die Diskussion in gelöster Atmosphäre auch mit denen suchen, die bisher von den vermittelten Gräueln, denen sie sich alle unterschwellig schuldig fühlen, abgeschreckt wurden.
Tierschutz ist nach dem Wesen und der Zielsetzung der zu verbessernden Zukunft verpflichtet.Hier müssen die Visionen einsetzen und an diesen die Hemmnisse aufgezeigt werden. Die Argumente sind vollständig ausschliesslich in unserem Lager versammelt. Umgesetzter Tierschutz kann dem Volk all das vermitteln, was dieses unter lebenswert versteht. - Gesundheit, Natur mit zahmen Tieren, Schutz der Erdwälder. Tierschutz nimmt dem Volk nicht, sondern beschenkt das Volk und zeigt vollziehbar die erwünschte umfängliche Zukunftsperspktive auf.
Bernd W. Meyer