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Verfassungsbeschwerde im Verfahren „Schächten von Tieren“ erfolgreich


Der Beschwerdeführer, ein muslimischer Metzger, streitet seit dem Jahr 1994 mit dem zuständigen Landkreis über Ausnahmegenehmigungen nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG für das betäubungslose Schlachten (Schächten) von Rindern und Schafen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Januar 2002 (vgl. Pressemitteilung Nr. 2/2002 vom 15. Januar 2002) entschieden hatte, dass die Versagung einer Ausnahmegenehmigung Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt hatte, verpflichtete das Verwaltungsgericht Gießen im Dezember 2002 den Landkreis, neu über den Genehmigungsantrag des Beschwerdeführers zu entscheiden. Dieses Urteil wurde rechtskräftig, nachdem es Ende 2006 in letzter Instanz durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden war. Bis dahin durfte der Beschwerdeführer auf Grund einer vorläufigen Genehmigung schächten. Die noch ausstehende Entscheidung über die endgültige Ausnahmegenehmigung traf der Landkreis erst im September 2008, nachdem der Beschwerdeführer die Vollstreckung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom Dezember 2002 eingeleitet hatte. Der Landkreis erteilte ihm eine bis zum 31. Dezember 2008 befristete Ausnahmegenehmigung zum Schächten von 500 Schafen und 200 Rindern im Jahr 2008. Die von dem Beschwerdeführer für das Jahr 2009 beantragte Ausnahmegenehmigung und der gleichzeitig gestellte Antrag auf Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis hat der Landkreis bisher nicht beschieden. Einem Eilantrag des Beschwerdeführers gab das Verwaltungsgericht Gießen mit Beschluss vom 25. Februar 2009 statt. Der Beschwerdeführer erhielt vorläufig die Erlaubnis, pro Woche zwei Rinder und 30 Schafe zu schächten, dies allerdings nur mit der Maßgabe, dass er verschiedene näher bezeichnete Auflagen einhalte. Unter anderem wurde ihm aufgegeben, für die Anwesenheit eines Amtstierarztes beim Schächtvorgang Sorge zu tragen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hob diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts auf die Beschwerde des Landkreises hin auf und lehnte den Eilantrag des Beschwerdeführers ab.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und gegen die Auflage in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25. Februar 2009 wendet, beim Schächten für eine Anwesenheit des Amtstierarztes Sorge zu tragen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs genügt dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität gerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nicht und war daher aufzuheben. Das Gericht hat den Anforderungen, die sich im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren sowohl für die Prüfung des Anordnungsanspruchs als auch des Anordnungsgrundes ergeben, nicht hinreichend Rechnung getragen. Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Effektivität des vorläufigen Rechtsschutzes nicht gerecht, soweit dem Beschwerdeführer darin die Verpflichtung auferlegt wird, dafür Sorge zu tragen, dass während des Schächtvorgangs ständig ein Amtsveterinär anwesend ist. Diese Auflage kann der Beschwerdeführer ohne Mitwirkung des Landkreises nicht erfüllen; denn sie ist vom Verwaltungsgericht nicht für den Landkreis verpflichtend zum Bestandteil der einstweiligen Anordnung gemacht worden und kann deshalb vom Beschwerdeführer im Wege der Vollstreckung nicht durchgesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht musste daher nicht darüber entscheiden, welche Auswirkungen die Einfügung des Tierschutzes in Art. 20a GG auf den Grundrechtsschutz eines gläubigen muslimischen Metzgers hat, der schächten will, um seine Kunden in Übereinstimmung mit ihrer Glaubensüberzeugung mit dem Fleisch geschächteter Tiere zu beliefern.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Deshalb muss gerichtlicher Rechtsschutz insbesondere im Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorkommen. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Gießen, der sich auch der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat, der Beschwerdeführer habe lediglich einen Anspruch auf eine auf das Kalenderjahr befristete Ausnahmegenehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG lässt befürchten, dass der vom Beschwerdeführer für ein Kalenderjahr geltend gemachte Anspruch ganz oder teilweise vereitelt werden kann, je später eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung darüber ergeht. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der von ihm zu beachtenden Baugenehmigung nur eine gewisse Anzahl von Tieren pro Woche schlachten darf und seinen jetzt in Rede stehenden Antrag auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung entsprechend beschränkt hat. Er kann daher bei einer verspäteten Erteilung der Genehmigung Schächtungen nicht „nachholen“. Dem Beschwerdeführer kann daher eine Verweisung auf das - möglicherweise über mehrere Instanzen geführte - Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden, da es im Blick auf den zu regelnden Lebenssachverhalt kaum noch zur rechten Zeit wird abgeschlossen werden können. In einer solchen Lage müssen die Gerichte auch im Eilverfahren den geltend gemachten Anspruch möglichst sorgfältig prüfen und dürfen sich nicht nur mit einer überschlägigen Rechtsprüfung begnügen.

Die kursorischen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs zur fehlenden Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs durch den Beschwerdeführer werden diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Sie sind nicht tragfähig und lassen keine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage erkennen. Es ist insbesondere nicht plausibel, dass der Verwaltungsgerichtshof ohne weiteres den Schluss gezogen hat, der Beschwerdeführer werde ihm kraft Gesetzes obliegende oder durch eine Ausnahmegenehmigung auferlegte Beschränkungen hinsichtlich der Abgabe des Fleisches der von ihm geschächteten Tiere missachten. Außerdem hätte der Verwaltungsgerichtshof sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, der Landkreis wolle wegen Zweifeln an der Sachkunde des Beschwerdeführers als Schlachter die diesem erteilte Sachkundebescheinigung entziehen. Er hätte vielmehr prüfen müssen, ob angesichts der dafür angeführten Vorfälle eine solche Entziehung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit rechtlich Bestand haben wird.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts: http://www.pressrelations.de/new/standard/dereferrer.cfm?r=385175 vom 2.10.2009

 

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