Tiere in Not: Fundtierrecht
Bei der Anwendung des Fundrechts auf Tiere gibt es ein Problem: Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 90a BGB) sind zwar, da Tiere keine Sachen sind, die sachenrechtlichen Vorschriften „ entsprechend“ anzuwenden, jedoch lässt sich das Nähere erst in der Zusammenschau mit dem Tierschutzgesetz (TierSchG) erkennen. Im Sinne von § 965 Abs. 1 BGB gilt z.B. eine Hauskatze als „verlorene Sache“, wenn sie nicht nur ihrer Art gemäß vorübergehend wegläuft und dann wiederkehrt, sondern dauernd „entläuft“ und dem Tierhalter dadurch unfreiwillig abhanden kommt. Findet eine fremde Person das Tier und nimmt es an sich, dann gilt grundsätzlich Fundrecht.
Die Zuständigkeit der Städte und Gemeinden zur Fundtierunterbringung ergibt sich aus den Fundtiervorschriften des BGB und – soweit vorhanden – landesspezifischen Zuständigkeitsregeln. In tierschutzkonformer Anwendung der Fundvorschriften haben die Kommunen die Fundtiere entgegenzunehmen und artgerecht im Sinne des § 2 TierSchG unterzubringen, zu ernähren und zu pflegen. Hierzu zählen auch die notwendigen Behandlungskosten für Verletzungen und akute Krankheiten sowie unerlässliche prophylaktische Maßnahmen wie Impfung und Entwurmungen, die notwendig sind, um der Ausbreitung von Infektionskrankheiten vorzubeugen. Die Kastration und die Tollwutimpfung sind hiervon grundsätzlich nicht erfasst.
Da die meisten Kommunen nicht über ausreichend geschultes Personal und geeignete Räumlichkeiten zur Erfüllung dieser Verwahrungspflichten verfügen, werden in der Regel die ortsansässigen, von den Tierschutzvereinen geführten Tierheime mit dieser Aufgabe beauftragt. In der Praxis wird zwischen der Kommune und dem Tierschutzverein als Träger des Tierheims ein Vertrag geschlossen, dessen inhaltliche Pflichten sich an die Zivilrechtsregeln anlehnen. Fehlt eine pauschale Vereinbarung mit dem Tierschutzverein, erfolgt die Erstattung von Fundtieraufwendungen durch Einzelabrechnung nach Tagessätzen, deren Höhe sich nach dem verwahrten Tierrichtet. Die vertraglich ausgehandelte Anzahl der erstatteten Tagessätze ist mit bis zu 28 Tagen deutlich geringer als die sechsmonatige Zeitspanne, in welcher der Eigentümer sein Tier zurückverlangen kann. Nach diesem Zeitpunkt liegt es im Kostenrisiko des jeweiligen Tierheims, das Fundtier möglichst rasch an einen neuen Besitzer zu vermitteln.
Kostenerstattung
Es gibt auch noch die Kostenerstattungspflicht nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Bringt ein Finder das Fundtier direkt ins Tierheim, hat dieses gegenüber der Kommune einen Kostenerstattungsanspruch erst ab der Fundtieranzeige. Als Anspruchsgrundlage kann der Tierschutzverein als Träger des Tierheims das Rechtsinstitut der GoA für sich in Anspruch nehmen. Eine GoA liegt vor, wenn jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne dass er hierzu einen Auftrag hat oder sonst dazu berechtigt ist. Die Inbesitznahme und Pflege eines Fundtieres ist das Geschäft eines anderen, in erster Linie des Eigentümers, der nach § 2 TierSchG sein Tier artgerecht zu versorgen hat. Da dieser nicht gegenwärtig ist, fällt die Fundtierunterbringung nach § 966 BGB in den Aufgabenkreis der Kommunen. Der Tierschutzverein , der hier der Geschäftsführer ist, hat somit ein Geschäft der Behörde = der Geschäftsherr, ausgeführt. Das Geschäft entsprach auch dem wirklichen Willen oder dem mutmaßlichen Interesse der Kommune, da die Fundtierunterbringung eine kommunale Pflichterfüllung ist. Ein etwa entgegenstehender Wille der Kommune wäre nach § 679 BGB unbeachtlich, weil die Erfüllung der Fundtierversorgung den gesetzlichen Halterpflichten entsprach.
Der Tierschutzverein hat daher gegen die Kommune Anspruch auf den Ersatz der notwendigen Aufwendungen. Da ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht geschlossen wurde, sind diese Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg einzuklagen. Gleiches gilt für die Feststellung über das Bestehen einer Rechtspflicht der Kommune zur Erstattung.
Die Gemeinden und Städte haben eine Vorsorgepflicht für Tierheime
Die zuständige Behörde kann eine Verwahrungspflicht nur verneinen bzw. begrenzen und evtl. die Befugnis zur Tötung des Tieres haben, wenn dies dem TierSchG nicht widerspricht und eine eindeutige gesetzliche Grundlage besteht. Eine solche kommt nach dem Bundesjagdgesetz (BJagdG), dem Bundesseuchengesetz, nach landesrechtlichen Vorschriften z.B. für die Bekämpfung sog. Schädlinge (Schadorganismen) und nach § 16 a Nr.2 TierSchG sowie wegen begründeter öffentlicher Gefahrenabwehr infrage.
Auch eine Überbelegung von Tierheimen rechtfertigt die Tötung von Tieren nicht, zumal darin keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt. Gemeinden und Landkreise sollten Abhilfe schaffen und selbst die Unterbringung der geschundenen Tiere in mehr Tierheimen bzw. speziellen Auffangstationen sicherstellen. Wer zur Verwahrung der Tiere verpflichtet ist, muss rechtzeitige Vorsorge treffen, dass die Pflicht auch erfüllt werden kann. Trotz aller Schwierigkeiten in der Praxis sollte dies vermehrt beachtet werden. Bei gefundenen Katzen z.B. lehnen viele Kommunen neuerdings die Kostenerstattung ab, weil die Tiere derelinquiert und somit herrenlos seien. Dabei wird übersehen, das dies nur dort angenommen werden kann , wo die Auffindesituation auf einen offensichtlichen, eindeutigen Willen zur Eigenumsaufgabe schließen lässt (s.o.). Hierzu kommt, dass die meisten Dereliktionen (eine Besitzaufgabe in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten - herrenlose Sache) erfolgen, indem das Tier ausgesetzt wird. In diesem Fall verstößt aber der Eigentümer gegen ein mit Bußgeld bewehrtes Verbotsgesetz , nämlich gegen § 2 Nr. 3 TierSchG; die Eigentumsaufgabe muss dann nach § 134 BGB als unwirksam angesehen werden, denn es entspricht dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Aussetzungsverbots, den Eigentümer an den mit seiner Rechtsposition verbundenen Pflichten festzuhalten. Für das Merkmal „ verloren“ ist es nicht erforderlich , dass der Verlust des unmittelbaren Besitzes unfreiwillig eingetreten ist. Katzenwelpen z.B., die nach dem Besitzverlust bzw. der Aussetzung geboren werden, sind ebenfalls nicht herrenlos. An ihnen setzt sich das Eigentum am Muttertier fort. Sie sind daher ebenfalls Fundtiere.
Streuner
Herrenlose, streunende Tiere bilden zumindest dann eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn sie ausgesetzt worden sind. Der vormalige Tierhalter hat in diesem Fall durch seinen Verstoß gegen § 3 Nr.3 TierSchG einen gesetzwidrigen Dauerzustand geschaffen, der sich noch vertieft, wenn das Tier krank oder verletzt ist. Damit ist er auch im öffentlichen Interesse verpflichtet, einen Tierarzt zu beauftragen und für die nötige Pflege des Tieres zu sorgen. Lässt sich jedoch der primär Verantwortliche nicht rechtzeitig feststellen, so ist die örtliche Ordnungsbehörde für die Beseitigung der entstandenen Störungslage zuständig, indem sie für einen verhaltensgerechte Unterbringung, Ernährung und Pflege des Tieres einschließlich der eventuell notwendigen tierärztlichen Behandlung sorgen muss und den früheren Halter dafür in Regress nehmen kann. Wenn also die Polizei, die Feuerwehr oder auch ein privater Finder ein solches Tier in ein Tierheim oder zu einem Tierarzt bringt, wird man das zuständige Ordnungsamt nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag als verpflichtet ansehen müssen, die nötigen Kosten zu erstatten. Notwendig ist allerdings die frühzeitige Information der Behörde, damit sie einen eventuellen Ermessensspielraum wahrnehmen kann. Nimmt man nach § 134 BGB die Unwirksamkeit solcher Dereliktionen an, so gelangt man über die §§ 965 Abs.2, 967 BGB zu einer Kostenerstattungspflicht der Kommunen.
Adressat von Handlungspflichtigen
Ein Fundtier ist nach den Fundrechtsregeln der §§ 965-984 BGB zu behandeln. Weitere Vorgaben enthalten landesrechtliche Runderlasse oder Empfehlungen zur Fundtierbehandlung. Weitere Runderlasse zur Fundtierbehandlung gibt es in Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland. Gemeinsame Empfehlungen der Innnenund Sozialministerien gibt es in Bayern und Thüringen, spezielle Verträge mit den Tierschutzvereinen gibt es in den Stadtstaaten Berlin, Bremen, Hamburg. Siehe hierzu auch das Tierschutzhandbuch des Deutschen Tierschutzbundes.
Der Finder, der ein verlorenes Tier an sich nimmt, hat eine Reihe gesetzlicher Vorschriften zu beachten: So hat er, da ein Eigentümer oder Berechtigter in der Regel nicht bekannt ist, seinen Fund unverzüglich bei der Polizei oder Kommune anzuzeigen (§ 965 BGB). Unterlässt er dies, verletzt er das Eigentumsrecht des Eigentümers, der gemäß § 973 Abs.1 BGB bis sechs Monate nach der Fundtieranzeige sein Tier vom Besitzer herausverlangen kann. Das Verschweigen des Fundes kann als Fundunterschlagung (§ 246 StGB) bestraft werden.
Behält der Finder mit Einverständnis der Behörde das Tier, hat er es artgerecht unterzubringen, zu pflegen, zu ernähren und wenn nötig auch tierärztlich versorgen zu lassen (§ 2 TierSchG). Meldet sich der Eigentümer innerhalb von sechs Monaten seit der Fundtieranzeige, muss der Finder das Tier zurückgeben, kann aber vom Eigentümer seine notwendigen Aufwendungen (§ 970 BGB) und Finderlohn (§ 971 BGB) verlangen. Meldet sich kein Eigentümer, kann er die Übereignung des Fundtieres für sich beanspruchen (§ 973 Abs.1 BGB).
Die rechtliche Behandlung von herrenlosen, beschlagnahmten und auf- gefundenen Tieren ist ein sehr komplexes Thema, das durch wechselnde behördliche Zuständigkeiten und Rechtswege einerseits und die zunehmende Ablehnung von Kostenübernahmen bei steigenden Zulaufzahlen insbesondere bei Fundtieren in den Tierheimen zu erheblichen Belastungen geführt hat. Dies belastet die Tierschutzvereine mit Aufgaben, die ihre Existenz gefährden und an sich den Behörden zugewiesen sind!
Hans H. Gast