Genmanipulation von Tieren und die Würde der Kreatur
Gentechnische Manipulation arbeitet weltweit daran, Erbgut und Eigenschaften von Tieren gezielt zu verändern. Mit Hilfe dieser Technik, neuerdings auch mit Klontechnik, werden für das Tierexperiment normierte Tiere produziert und in den Handel gebracht. Eine Variante unter vielen ist die Krebsmaus, in der vom Embryonalzustand an schwere Krankheiten verankert sind, um sie für Experimente "passend" zu machen.
Die andere Ebene sind transgene und klonierte "Nutztiere", wie Schafe, Schweine, Kühe, Kaninchen, Hühner, Truthähne und Fische, die "fit" für eine immer intensivere Massentierhaltung mit geringen betriebswirtschaftlichen Kosten gemacht werden sollen.
Gentechnik will natürliches Leben an die "Sachzwänge" der technischen Zivilisation und der globalisierten Wirtschaft anpassen, sich von der biologischen Evolution freimachen. Leben und Lebewesen werden wie technische Gebilde als planbar, machbar und verfügbar angesehen.
Gentechnik bedeutet Fortführung und Erhöhung der Zahl der Tierversuche. Allein durch das "Gen-Pharming" (den Versuch, aus tierischem "Material" Medikamentenrohstoffe zu gewinnen), findet eine Ausweitung der Versuche statt.
Bei alldem handelt es sich nicht um eine bloße Fortführung bisheriger Züchtungen und Domestikationen mit anderen Mitteln: Vielmehr verändert die gentechnische Manipulation die Tiere derartig tiefgreifend, schnell und häufig unumkehrbar, dass daraus die schwerwiegendsten Probleme entstehen, und zwar aus Methoden der Gentechnik und aus den Zielen, die damit verfolgt werden (können).
Warum Genmanipulation von Tieren?
Bezeichnend ist, dass schon 1987 im Enquete-Bericht des Bundestags "Chancen und Risiken der Gentechnik" das wirtschaftliche Wachstum als das wichtigste Beurteilungskriterium für die Anwendung der Gentechnik im nichtmenschlichen Lebensbereich angegeben wird.
Der Biochemiker Prof. Dr. Hans Günter Gassen schreibt in einem Lehrbuch für seine Studenten: "Wie mit einem Baukasten können wir durch Einfügen kleiner und großer DNA-Elemente Lebewesen verändern. Der entscheidende Vorteil der Gentechnik ist dabei der Zeitgewinn. Gentechnische Methoden sind unheimlich schnell. Ähnlich wie die Kernspaltung zur Atombombe, zu Kernkraftwerken geführt hat, wie durch die moderne Elektronik unsere Arbeitswelt verändert wird, wird durch die neue Biologie, besonders die Gentechnik, die Konstruktion von Lebewesen nach von uns geforderten Bedingungen beschleunigt."
Kurzum: Arten, sogar Tierarten, sollen so umkonstruiert werden, dass sie sich im Sinn der Gentechniker und ihrer Auftraggeber "zweckmäßig" verhalten, sie sollen biologisch und ökonomisch optimiert werden. Es geht um höhere Produktivität und entsprechende Gewinne, darum, dass die Tiere unter den Bedingungen der industrialisierten Tierausbeutung besser "funktionieren", dass man mit ihnen noch rationeller verfahren kann. So wird hinsichtlich der Erzeugung erbgleicher Individuen durch Klonierung damit argumentiert, dass es eben rationeller sei, wenn ein Landwirt 70 oder 80 Kühe im Stall zu stehen hat, die alle gleich sind.
Bei der körperfremden Xenotransplantation wird das Ziel verfolgt, mit gentechnischen Methoden die Biologie des Tieres dem Menschen anzupassen, um die Organe für den Menschen verwendbar zu machen. Das Tier wird zum bloßen Organlieferanten, zum Ersatzteillage reduziert.
Den Nachteil hat das Tier: Verletzungen seines Körpers, seiner Identität, seiner Integrität und seiner Würde.
Folgen für Wohlbefinden und Gesundheit der Tiere
Bereits der genannte Gentechnik-Bericht der Enquete-Kommission von 1987 wies darauf hin, dass einseitige Produktionssteigerungen in der Vergangenheit durch regelmäßige Gesundheitseinbußen der Tiere erkauft wurden, und befürchtet, dass sich dieser Negativtrend durch die Nutzung gentechnisch veränderter Hochleistungsvarianten noch weiter fortsetzen könnte.
Die bisherigen Erfahrungen haben dies bestätigt. Neben den erwarteten Effekten traten unerwartete pathologische Veränderungen auf, die zu "Schmerzen, Leiden oder Schäden" (§ 1 Tierschutzgesetz) führten und somit ein massiver Verstoß gegen dieses Gesetz sind.
Das beginnt damit, dass aus Sicherheitsgründen alle gentechnisch veränderten Tiere in einer sterilen Umgebung in eigens dafür geplanten Versuchstieranlagen gehalten werden. Die dafür erforderlichen Filterschranken und Reinlufträume sind mit einer tiergerechten Umwelt nicht zu vereinbaren. Ohne hinreichend Raum für soziale Kontakte, ohne Sonne, natürlichen Boden und frische Luft müssen die Tiere ihr Dasein fristen.
In die Keimbahn von Schweinen wurde ein menschliches Wachstumshormon eingepflanzt. Auf diese Weise sollte eine Art Superschwein entstehen, das besonders schnell wächst und besonders saftigen Schinken liefert. Erschaffen haben die Gentechniker einen rachitischen Krüppel, apathisch, fast blind, stark behaart und impotent, mit geschwächtem Immunsystem behaftet. Andere "Gen-Schweine" mit menschlichen Wachstumshormonen litten an Gelenkdeformationen, Lungenentzündung, Magengeschwüren und Herzschwäche.
Das genetisch hergestellte Rinderwachstum rBST führte zu häufigeren Euterentzündungen.
Ein Teil der genmanipulierten Mäuse hat Schwierigkeiten bei der Geburt wegen der Übergröße der Föten. Gleiches gilt bei transgenen Rindern ("large calf syndrom").
Gendefekte Mäuse werden "produziert", nur um an Krebs zu erkranken und zu sterben. Auf ein Leben in Gesundheit haben sie keinerlei Chance - in ihrem Erbgut sind das Kranksein und der vorzeitige Tod vorprogrammiert. Klonierte Tiere weisen oft Entwicklungsstörungen auf, altern und sterben früh.
Die Öffentlichkeit erfährt kaum etwas von den Abertausenden zu Tode experimentierter Tiere und Tier-Embryonen, die schon im Vorfeld der Herstellung transgener "Modelle" auf der Strecke bleiben, denn die Erfolgszahl der Annahme fremder Gene liegt bei 1-2 %.
Die zu Höchstleistungen gezwungenen Tiere werden an den wirtschaftlichen und industriellen Bedarf zwangsangepasst. Die durch die Genmanipulation verursachten gesundheitlichen Schäden sind auch künftig unabsehbar und unkalkulierbar. Immer weitere transgene Tierversuche bringen neue Krankheitsbilder und Leiden mit sich.
Preisgabe der Ethik
"In den modernen Formen der Nutztierzucht wird überall dort gegen die Kreaturwürde verstoßen, wo aufgrund der Hochleistungsziele gegen die Gesundheit und das physiologische Gleichgewicht der Tiere verstoßen wird." (Prof. Dr. Günter Altner)
Noch zusätzlich zur Intensiv-Massentierhaltung werden die Tiere zur Fließbandware degradiert, zur frei manipulierbaren Biomasse: kreatürliche Würde, Integrität und Identität werden vernichtet.
Auch die Klontechnik ist als Instrument der Programmierung und Normierung von Leben ein schwerwiegender Verstoß gegen die Würde der Kreatur und das Tierschutzrecht.
"Es scheint, dass unsere Gesellschaft sehr schnell und sehr gedankenlos ist, Nutztiere jetzt auch genetisch auf die Bedingungen der Stalltechnik zurechtzustutzen, anstatt endlich damit zu beginnen, die Haltungsbedingungen tiergerecht zu gestalten - ohne z. B. darüber nachzudenken, wie weit wir die fortgesetzte Spirale genetischer Auf- und Umrüstungen eigentlich treiben können, wie weit wir diese Spirale treiben wollen. Es wird auch nicht darüber nachgedacht, wie wir damit umgehen wollen, dass sich die Tiere mehr und mehr von ihrer ursprünglichen Genausstattung entfernen und dadurch die Fähigkeit verlieren, ein Leben zu führen, das ihrer ursprünglichen Biologie entspricht." (Uwe Nickel, Akademie für Tierschutz)
Bezeichnend ist auch, dass der gentechnisch hantierende Mensch auf die von ihm neu konstruierten Lebewesen Patentrechte wie auf technische Erfindungen mit der Begründung geltend macht, dass diese nicht natürlicherweise geworden sind, vielmehr erst durch Menschen "hergestellt", "gemacht" wurden. Die Patentierung offenbart sowohl die mechanistische wie die rein anthropozentrische Betrachtung und Behandlung des Lebens. Lebewesen werden wie Sachen und Erfindungen als Besitz behandelt. Ein eigenes Daseinsrecht, ein Recht auf Integrität und Identität der Arten wird nicht einmal für die höchsten Säuger erwogen.
Doch es gibt eine unveräußerliche Würde der nichtmenschlichen Kreatur. Die Wahrung der genetischen Integrität von Tieren ist eine einzuhaltende Grenze. Die Genpatentierung hingegen sanktioniert deren Missachtung und prämiert ihr Überschreiten; sie ist eine Art ökonomischer Treibsatz, der vor allem aus kommerziellen Motiven Eingriffe in die Evolution massiv verstärkt. Transgene Labortiere wie die Krebsmaus und die Alzheimer-Maus oder die SCID-Maus mit stark eingeschränktem Immunsystem finden längst kommerzielle Anwendung und werden weltweit millionenfach "verbraucht". Ihre Erfinder kassieren entsprechende Lizenzgebühren aus den Patenten.
"Da das rasche künstliche Fortschreiten im Wege gentechnischer Verfahren viele in der Evolution erlangte Eigenschaften der Tiere irreversibel zu zerstören geeignet erscheint, ist generell nicht abzusehen, was am Ende dieser Entwicklung steht. Neben dem drohenden Verlust der Vielfalt der Eigenschaften von Tieren muss auch die daraus resultierende allgemeine Gefahr einer gestörten Wechselwirkung des genetisch veränderten Tieres mit seiner Umwelt gesehen werden. Auch hier ist noch nicht abzusehen, wie ein derart destabilisiertes Tier sich auf die Herausforderungen seiner Umgebung einstellen kann. Zudem besteht die potentielle Gefahr einer für den menschlichen Nutzen optimierten Art darin, dass weniger brauchbare Arten womöglich nicht mehr gezüchtet werden und so vom Aussterben bedroht sind." (Paul Bocklet)
Tiere werden in der Gentechnik beliebig verfügbares Rohmaterial; sie werden nicht mehr als individueller Ausdruck der Natur geachtet, sondern als rein stoffliche Zusammensetzung.
Auf der Grundlage der Würde der Kreatur muss der Umkonstruktion von Arten, dem biotechnischen Reduktionismus widerstanden werden. Denn die "Produktion" kranker Tiere ist ein Bioverbrechen.
Edgar Guhde