Was ist Intensiv-Massentierhaltung? Was bedeutet sie für die Tiere, die Umwelt und die Welternährung?
Manuskript des Vortrags des PAKT-Vorsitzenden Edgar Guhde am 1. Dezember 2007 vor der Grünen Jugend in Mönchengladbach
Unter dem Druck der Gesetzmäßikeiten der industriellen Güterproduktion wurde die Intensiv-Massentierhaltung in den 60er Jahren zunächst in den USA eingeführt. (1965 Ruth Harrison, Buch „Tiermaschinen“). Sie kam dann über Großbritannien auch nach Deutschland. Es ging darum, so kostensparend wie möglich zu „produzieren“ um wettbewerbsfähig zu bleiben. Es geht darum, möglichst viele Tiere (vor allem Geflügel, Schweine und Rinder) platz-, zeit- und arbeitssparend auszubeuten, mit wenig Personal in immer kürzerer Zeit und mit wenig Energieaufwand auf engem Raum in denaturierter Umgebung möglichst viele tierische Erzeugnisse hervorzubringen. Das Streben nach immer höheren Milch-, Fleisch- und Eierleistungen führte zur Technisierung und Rationalisierung der Viehhaltung ohne individuelle Betreuung des einzelnen Tieres bei Vernachlässigung ihrer arteigenen Bedürfnisse. Die Tiere werden zur standardisierten Produktionseinheit und wie Industrieprodukte behandelt.
Der Lebensraum ist auf ein Minimum beschränkt, das Leben auf bloße Nahrungsaufnahme, Verdauung und Wachstum reduziert. Für die oft hochentwickelten Sinne kein normaler Wechsel im Tages- und Jahreszeitenrhythmus, keine Nahrungssuche. Es gibt nichts zu erkunden und zu erleben.
Die Anpassungsfähigkeit der Tiere an die industriellen Produktionsbedingungen wird überfordert. Die Ausrichtung der Zucht auf maximale Produktionssteigerung bedeutet z.B. beim Geflügel: Übermäßiger Muskelzuwachs, Schnellwüchsigkeit, körperliche Schäden und extreme Leiden wie Gelenkprobleme, Knochendeformationen, Herz/Kreislauf-Beschwerden, Atembeschwerden, Blutarmut und Kannibalismus. Gewalt an den Tieren wurde zur gängigen Praxis: Schnabelkürzen, Kupieren der Schwänze bei den Schweinen und Schafen, Enthornen der Rinder ohne Betäubung – millionenfache Tierquälerei, um die Tiere an die tierfeindlichen Haltungssysteme anzupassen; äußerst schmerzhafte Kastrationen bei 20 Mill. Ferkeln jährlich, nur um den Ebergeruch zu verhindern.
„Diese Tierfabriken lassen ein Herabsinken der Humanität erkennen: in der Rücksichtslosigkeit gegenüber den uns anvertrauten Tieren und in der Zerstörung von Natur und Umwelt aus der Gewinnsucht einzelner. Dass dies von der Gesellschaft als ‚unternehmerisches Verhalten’ hingenommen wird, zählt zu den moralischen Abstumpfungen unserer Zeit.“ (Hermann Priebe, Die subventionierte Unvernunft, S. 16)
§ 2 des Tierschutzgesetzes schreibt vor:
„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“
Dem zuwiderhandelnd werden unter tierfeindlichen Bedingungen Jahr um Jahr Hunderten Millionen Tieren maximale Leistungen abgepresst. Das heißt: Der Rechtsstaat ist in Bezug auf die Tiere außer Kraft gesetzt.
In seinem Werk „Das Imperium der Rinder“ schreibt der Wissenschaftspublizist Jeremy Rifkin:
„Das Rind von den Qualen und der Erniedrigung zu erlösen, denen es in den modernen Mastfabriken und Schlachtbetrieben ausgesetzt ist, wäre als menschlicher Akt von weitreichender symbolischer und praktischer Bedeutung zu begreifen, und es wäre ein Symbol der Reue und Wiedergutmachung, wenn wir darauf verzichteten, das Rind zu enthornen, zu kastrieren, mit Hormonen und Östrusblockern, Antibiotika und Insektiziden zu behandeln und ihm einen würdelosen Tod an den vollautomatisierten Schlachtbändern zu bereiten. Es wäre dies alles ein Zeichen der Erkenntnis der Zerstörung, die wir der gesamten Schöpfung auf unserer Jagd nach der uneingeschränkten Macht über die Natur zugefügt haben.“ (S. 252)
Websites:
www.provieh.de
www.tierschutz-landwirtschaft.de
www.masthuehner.de
www.tierschutzbilder.de
Was bedeuten die Intensiv-Tierhaltungen für die einzelnen Tierarten? (Auswahl)
Masthühner: Die ausschließlich wegen ihres Fleisches gehaltenen Masthühner sind mit jährlich etwa fünf Billionen (!) in der EU geschlachteten Tieren die größte Gruppe der landwirtschaftlichen „Nutztiere“. (480 Mill. in Deutschland). Die Zucht auf hohe und schnelle Mastleistung und den unphysiologisch großen Brustmuskel hat zu einer Verlagerung des Körperschwerpunktes geführt mit der Folge, dass auf den Beinen und Hüften der Tiere erheblicher Druck und Spannung lasten. Auch Herz und Lunge können mit dem unnatürlich beschleunigten Wachstum nicht mithalten. 30 % der Masthühner humpeln, lahmen oder können sich aufgrund der Schmerzen nicht mehr fortbewegen. Häufige Kreislauferkrankungen, Leibeshöhlenwassersucht. Die Mortalität dieser Hochleistungshühner ist viermal so hoch wie die der langsam wachsenden Masthühner. Dazu kommt die tierquälerische Haltung in strukturlosen Hallen zum Teil ohne Tageslicht – etwa 22 Tiere gegen Ende der Mast auf einem qm zusammengepfercht mit der Folge weiterer schmerzhafter Erkrankungen. Nachdem es bisher gar keine rechtlichen Haltungsvorschriften gab, beschloss der Agrar-Ministerrat der EU im Mai 2007 eine bis 2010 umzusetzende Richtlinie. Danach können bis zu 30 Masthühner auf einem qm Stallfläche zusammengepfercht werden, bei einem Maximum von 42 kg/qm. Die Tierschutzorganisationen hatten eine Besatzdichte von höchstens 15 Tieren pro qm gefordert, entsprechend dem Votum der Veterinärexperten des Fachausschusses der EU-Kommission. Mit dieser Richtlinie werden wissenschaftliche Erkenntnisse missachtet und viel zu hohe, tierschutzwidrige Besatzdichten festgeschrieben.
Mastenten: Im Unterschied zur Hennen-Käfighaltung ist der Öffentlichkeit kaum bekannt, wie vergleichbar Enten (die Pekingente und die Moschusente, sog. „Flugente“, sowie Hybriden beider Arten) gehalten werden. Nicht weniger als 18 Millionen Enten werden in Deutschland in strukturlosen Ställen auf perforierten Böden zusammengepfercht meist zu Tausenden gehalten, ohne Tageslicht, Beschäftigungsmöglichkeiten, Auslauf oder Badegelegenheit. Das artgemäße Seihen, Gründeln und Tauchen wird völlig verhindert. Den Moschusenten werden ohne Betäubung die hochsensiblen Oberschnäbel amputiert, ebenso die Krallen an den Paddeln. Die Drahtgitterböden sind durch die Exkremente verdreckt und glitschig. Die in den oft dunklen Masthallen sich drängelnden Tiere, darunter sterbende, treten auf verwesende tote Artgenossen herum. Eine HaltungsVO gibt es nicht. Hinzu kommen tierschutzwidrige Transporte der Küken zu den Mastbetrieben und der zu schlachtenden Tiere zu den Schlachthöfen.
Puten: Etwa 7,5 Mill. vegetieren jeweils zu Tausenden in deutschen Mastanlagen, d.h. in strukturlosen Ställen. Insbesondere die einseitige Zucht auf Brustmuskulatur führt zu tierschutzwidrigen Zuständen. Die Tiere sind dann zu schwer, und durch das häufige Liegen kommt es oft zu Brustblasen, die sich in feuchter Einstreu entzünden. Im Endstadium können die Knochen die Fleischmasse nicht mehr tragen, das Skelett verkrümmt sich; viele Tiere können dann nicht mehr laufen. Atemwegserkrankungen, Beinschwächen und Nierenblutungen gehören zum Alltag der Mastputen. Dazu kommt ein u. a. durch die hohe Besatzdichte ausgelöstes aggressives Verhalten. Etwa 10 % der Tiere überstehen die Strapazen nicht und sterben vorzeitig, wobei die Kadaver oft tagelang nicht herausgenommen werden. Die Bundesregierung hat noch immer keine HaltungsVO erlassen, keinerlei detaillierte Anforderungen an die Putenmast. Artgerechte Haltung mit Beschäftigungsmöglichkeiten im Stall, Verringerung der Besatzdichte, Verbesserung der Belüftung, Verwendung ausschließlich trockener Einstreu, Auslauf im Freien und Verbot des Schnabelkürzens wären darin zu gewährleisten. Angesichts von 7,5 Mill. Puten, die auf unerträgliche Weise chronisch krank dahinvegetieren müssen, ist jede weitere Verzögerung unentschuldbar und ein weiterer Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Schweinehaltung: Meistens Einzelhaltung der Zucht- und Muttersauen mit Saugferkeln in Kastenständen. Verletzungen im Bein-, Rücken- und Schulterbereich, bedingt durch das Liegen und Stehen auf dem harten, z.T. durchbrochenen Boden.
Mastschweine: Häufige Verletzungen der Sprung-, Karpal- und Schultergelenke wegen der einstreulosen Spaltenböden. Liegeschwielen und Gelenkverdickungen, Klauenverletzungen und Lahmheiten. Tierärztliche Kontrollen bei der Schweineschlachtung haben ergeben, dass mehr als die Hälfte der 26 Mill. Tiere krankheitsbedingte Schädigungen haben, z.B. deformierte Gliedmaßen und Magengeschwüre sowie Lungenschäden wegen der schlechten Belüftung der Ställe. 57 % wiesen pathologische Veränderungen der Leber auf. Nach Prof.Dr. K. Bickhardt, Tierärztliche Hochschule Hannover, sterben in Deutschland jährlich etwa 1 Mill. Schweine auf qualvolle Weise an den Folgen von Belastungsmyopathie (entzündlichen, degenerativen Muskelerkrankungen).
Die nach jahrzehntelanger Verzögerung im April 2006 beschlossene neue SchweinehaltungsVO auf der Grundlage der Mindestanforderungen der EU-Richtlinie enthält einige, jedoch nicht hinreichende Verbesserungen. So sind Spaltenböden weiterhin die Regel, kaum Beschäftigungsmöglichkeiten, zu wenig Platz, zu lange Übergangsfristen. Notwendig: Änderung des Tierschutzgesetzes hinsichtlich der betäubungslosen Kastrationen von Ferkeln, der Schwanzamputationen und des Kürzens der Eckzähne.
Nerze: In Deutschland gibt es etwa 30 Nerz“farmen“, eine Fuchshaltung sowie eine unbekannte Zahl von Chinchilla-Zuchten. In diesen Anlagen werden jährlich etwa 300.000 Tiere gehalten und umgebracht. Massive Verhaltensstörungen und auch Selbstverstümmelungen der Tiere sind die Folge der extrem tierschutzwidrigen Unterbringungen.
Mit 15jähriger Verzögerung nach ersten Forderungen der Länder beschloss der Bundesrat am 3. November 2006 erstmals eine Verordnung mit Haltungsvorgaben, ohne die Haltung als solche in Frage zu stellen, obwohl für die Erzeugung eines Luxusartikels kein „vernünftiger Grund“ (TSchGes) vorliegt, der völlig artwidriges Einsperren und Töten von Wildtieren wie Nerzen und Füchsen rechtfertigen könnte, und obwohl die Mehrheit der Bevölkerung die Pelztierhaltung ablehnt. Nach einer zehnjährigen Übergangsfrist stehen einem Fuchs drei qm, einem Nerz und einem Iltis je ein qm Grundfläche zu. Nerze und Iltisse müssen ein Wasserbecken erhalten. Drahtgitterböden bleiben erlaubt, Forderungen, den Tieren Naturboden, größere Käfige und tiergerechte Fütterung zu gewähren sowie die Übergangsfristen für bestehende Betriebe von zehn auf ein Jahr zu verkürzen, wurden verworfen. In zehn Jahren müssen die Käfige mit Plattformen, Klettervorrichtungen oder Arealen zum Graben ausgestattet sein.
Einige Länder wie Großbritannien und Italien haben die Pelztierhaltung bereits verboten, andere wie Österreich und die Schweiz haben so hohe Auflagen verordnet, dass die Haltungen wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben wurden. Bei vorhandenem Willen wäre das auch in Deutschland möglich. Züchten und Töten von Pelztieren sind gesetzlich zu verbieten! Darüber hinaus ist die Bundesregierung zu drängen, sich auch auf EU-Ebene dafür einzusetzen.
Mastkaninchen: In ca. 450 Nebenerwerbs-Mastbetrieben vegetieren allein in Deutschland jährlich etwa 21 Millionen dieser Tiere in Drahtkäfigen mit Draht- oder Kunststoffböden. Durch die enge Haltung leiden sie an Wirbelsäulen-Erkrankungen und Geschwüren an den Pfoten, an Magen-Darm-Erkrankungen wegen der einseitigen Ernährung mit Fertigfutter-Pellets. Die Weibchen werden durch künstliche Besamung gezwungen, alle 4-6 Wochen Junge zu gebären – eine enorme Belastung, die oft zum Tode führt. Sterberate lt. Bundestierärztekammer bis zu 50 %. Alle Regierungen der vergangenen Jahrzehnte haben dieses Verbrechen an den Kaninchen geduldet und somit gefördert. Zu den Haltungsbedingungen gibt es weder auf EU-Ebene noch auf nationaler Ebene spezielle Rechtsvorschriften. Die Tiere vegetieren in einem rechtsfreien Raum. Weder in der EU noch in Deutschland ist die Einführung einer Registrierung der landwirtschaftlichen Kaninchenhaltungen geplant.
Weltweite Dimension:
Um das Ausmaß der weltweiten Tiertötungen zu verdeutlichen, ist es wichtig, sich die grundlegenden Zahlen vor Augen zu führen:
Weltweit werden etwa 45 Milliarden Tiere pro Jahr für den menschlichen Verzehr als Schlachtvieh umgebracht (Fische und sonstige Kleintiere nicht eingerechnet).
Davon entfallen allein auf Deutschland ca. 510 Millionen „Nutztiere“. Hinzu kommen die Millionen Tiere in den Heimtierhaltungen, die „Pelztiere“ und „Versuchstiere“ sowie die ca. 5,5 Millionen Wildtiere, die Opfer der Jagd in Deutschland werden.
Ökologische Auswirkungen der Intensiv-Tierhaltungen
Zu den schwerwiegenden Belastungen des globalen Naturhaushalts gehören Boden-, Gewässer- und Luftverschmutzungen, vor allem durch den hohen Gülleanfall mit den entsprechenden Nitratüberschüssen. (Ein Rind produziert täglich 60 l Gülle). Die industrielle „Nutztier“-Haltung produziert mehr klimawirksame Gase als das gesamte Transportwesen zu Lande. Sie verursacht 18 % der klimaschädlichen Gase, Fischerei und Tiertransporte nicht eingerechnet. Die 18 % sind mehr als die 12-15% der klimaschädlichen Gase aus dem Verkehr.
Seit 1960 wurden fast 30 % der südamerikanischen Wälder abgeholzt, um Weideflächen Platz zu machen. Waldrodung, Landkonzentration und Vertreibung der ländlichen Bevölkerung haben das Ziel, die Festlandmasse eines halben Kontinents zur Weidefläche zu machen, um die fleischreiche Kost der wohlhabenden Europäer und Nordamerikaner zu sichern. Das durch das Abbrennen der Wälder freigesetzte CO2 bewirkt den Treibhauseffekt mit, ferner das noch schädlichere Methangas ( 23x schädlicher als CO2 ) ebenfalls bedingt durch das Abbrennen von Tropenwäldern, Grasflächen und Stoppelfelder sowie durch den Verdauungsvorgang der Rinder. Der Anteil der Rinder am weltweiten Methanausstoß wird mit 12 % angegeben. (Jahresberichte des WorldWatch Institute, denen auch die anderen Angaben entstammen).
Innerhalb von acht Jahren schließen die Viehbetriebe, weil die Böden durch Überweidung und Erosion ausgelaugt sind mit der Folge weiterer Waldzerstörungen mit dem damit verbundenen Rückgang der Tier- und Pflanzenarten.
Hinzu kommt der hohe Wasserverbrauch: In den USA geht fast die Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs auf den Anbau von Futtergetreide zurück. Auf 1 kg Rindfleisch aus einem Mastbetrieb kommen 2.000 l Wasser für die Bewässerung der nötigen Getreidemenge. Die Erzeugung eines kg Getreide erfordert einen Bruchteil der Wassermenge, die für 1 kg Rindfleisch aufzubringen ist.
Gleich mehrere Forschungsinstitute kamen zu dem Ergebnis, dass 40 % der klimarelevanten Emissionen, die in der Viehwirtschaft entstehen, durch Verzicht auf die Fleisch- und Futtermittelproduktion eingespart werden könnten. Es sei möglich und notwendig, den Anteil der Intensivtierhaltungen an den Treibhausgasen durch eine drastische Reduzierung der Viehbestände um die Hälfte zu vermindern.
Doch die ökologischen Kosten fließen nicht in die Fleisch-Verbraucherpreise ein. Nach Angaben des WorldWatchInstitute müsste dann ein Rindfleisch-Hamburger mindestens 220 Dollar kosten.
In seinem Buch „Das Imperium der Rinder“ über Aufstieg und Fall der Viehzuchtkultur gibt Jeremy Rifkin einen eindrucksvollen Überblick und eine Bilanz der rücksichtslosen Angriffe auf die Ökosysteme der Erde durch die Viehzucht und deren Landverbrauch für Viehfutter. Er nennt die Viehzucht „eine der am meisten umweltzerstörenden Bedrohungen der modernen Zeit.“
„Eine Zeitlang glaubten wir in Deutschland, das Umweltproblem der Rinderhaltung sei bloß ein Gülleproblem. Weit gefehlt. Wenn wir die Waldrodung für Weideflächen und Futtermittel einbeziehen, ist der Beitrag der Rinderhaltung zum Treibhauseffekt ähnlich groß wie der des gesamten Autoverkehrs. Die Verwandlung von Savannen in Wüsten, die Erosion in Berggebieten, der übermäßige Wasserbedarf der Rinder, der gigantische Energiebedarf der Mastviehhaltung sind einige weitere Gründe dafür, dass wir mit jedem Pfund Rindfleisch der Umwelt schwer zusetzen.“ (Aus dem Vorwort von Ernst U. von Weizsäcker)
Hierzu ferner: Josef H. Reichholf, Der Tanz um das goldene Kalb. Der Ökokolonialismus Europas. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004, 217 S.
Auswirkungen der Intensiv-Tierhaltungen auf die Welternährung
Der Zusammenhang mit dem Hunger in der Welt ergibt sich bereits daraus, dass ca. 65 % der gesamten Anbaufläche für die Viehhaltung und die Futterproduktion verwendet werden.
Allein 1,4 Milliarden Rinder bevölkern heute die Erde. Sie grasen auf 25 % der gesamten Landmasse des Planeten, und die Getreidemenge, die sie zusätzlich verbrauchen, würde reichen, um einige hundert Millionen Menschen zu ernähren. Für die Erzeugung von 1 kg Fleisch müssen – je nach Tierart – 7-11 kg Getreide und andere Pflanzen aufgewendet werden. Mehr als 1/3 der gesamten Getreideernte wird an die Rinder und anderes Vieh verfüttert. Da die Weltbevölkerung und auch ihr Verlangen nach Fleisch weiter zunimmt, ist eine noch größere weltweite Ernährungskrise vorprogrammiert.
64 % der Futtermittelimporte der EU stammen aus den Entwicklungsländern. Die EU holt rund eine halbe Mill. t Futtermittel allein aus Westafrika, um ihre Überschussrinder zu füttern. Für die Gewinnung einer einzigen tierlichen Kalorie werden rund zehn pflanzliche benötigt. Die Importe der Getreideberge und Sojabohnen, die Millionen von Rindern, Schweinen, Puten vorgeworfen werden, entziehen den armen Ländern eine Lebensgrundlage – das Vieh der Reichen frisst das Brot der Armen.
Außerdem werden den Ländern der 3. Welt wichtige Rohstoffe entzogen, indem man sie mit finanziellen Anreizen dazu verleitet, ihre Agrarflächen für die Produktion von Futtermitteln für die Viehwirtschaft der Industriestaaten statt für die Deckung des Nahrungsbedarfs der einheimischen Bevölkerung zu nutzen.
In den USA werden mehr als 70 % der Getreideernte als Viehfutter verwendet.
Angesichts der wachsenden Bevölkerung und der ebenso fortschreitenden Bodenerosion und Wüstenbildung kann der Fleischkonsum nur ein Verbrechen genannt werden. Ohne den exzessiven Verbrauch an tierischem Eiweiß, könnte man mit den noch vorhandenen Flächen die mehrfache Zahl an Menschen ernähren, und zwar gesünder und umweltschonender und ohne die Tierschinderei. Umweltschutz, Menschenrechte und Tierschutz gehören zusammen.
Daher meinte die Organisation „Welthungerhilfe“: „Auch die Menschen in den Industrieländern können ihren Beitrag leisten. Wenn sie weniger Fleisch essen, muss weniger Getreide verfüttert werden.“ („Welternährung“, 1/1996). „Damit die Weltgetreideernte in Zukunft für alle reichen kann, werden die reichen Nationen ihren Fleischkonsum reduzieren müssen. Futtermittel für Masthühner, Zuchtfische, Industrieschweine und Intensivhaltungsrinder sind ein (EU-subventionierter) Luxus, den sich nicht mehr als 15 % der Weltbevölkerung leisten können.“ („Welternährung“, 1/1997)
Die Subventions-Problematik
Die jährlichen 45 Milliarden Euro Agrar-Subventionen der EU sind seit Jahrzehnten umstritten und in einer Legitimationskrise. Denn fast die Hälfte der Ausgaben der EU geht in die Landwirtschaft, ohne dass klar ist, wohin die Gelder konkret fließen und wie sie wirken. Das trifft insbesondere für Deutschland zu. Welcher Landwirt wie viele Subventionen wofür erhält, ist nicht bekannt. („Förderdschungel“)
Hauptempfänger sind multinationale Konzerne, weltmarktfähige rationalisierte Großbetriebe. 77 % der Betriebe erhalten an Direktzahlungen weniger als 5.000 Euro im Jahr.
Ca. 18 % der gesamten EU-Agrarbeihilfen gehen in die Subventionierung der sog. Rindfleischerzeuger, Direktzahlungen, um ihre teuren Produkte auf dem Weltmarkt billig anbieten zu können.
Immerhin hat die EU-Kommission insofern einige Missstände beseitigt, als Schlachtviehexporte nicht mehr gefördert werden; allerdings wird weiterhin der Export von Zuchtrindern subventioniert (und damit indirekt der Stierkampf unterstützt). Große Agrarunternehmen bekommen künftig deutlich weniger Unterstützung als kleine Betriebe. Produktbezogene Direktzahlungen an die Bauern werden ab 2008 um jährlich 2 % gekürzt. Die Einsparungen sollen für Landschaftspflege und Umweltschutz verwendet werden. Geplant ist auch die Förderung von Landwirten, die freiwillig Tierschutzverpflichtungen eingehen, die über die vorgeschriebenen Vorschriften zur Tierhaltung hinausgehen. Doch sind diese Maßnahmen nicht genauer definiert.
Subventionen sind also verstärkt als Lenkungsinstrumente zugunsten einer mehr ökologischen Landwirtschaft einzusetzen (Ökozuschläge; auch Fleischsteuer).
36 Organisationen aus den Bereichen Entwicklung, Umwelt, Verbraucherschutz, Tierschutz, bäuerliche Landwirtschaft und Demokratie & Transparenz haben sich zur „Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen“ zusammengeschlossen.
Schlussbemerkung
In den letzten Jahren der Regierungskoalition hat sich die Situation für die Tiere in Deutschland nicht signifikant verändert. Stellenweise sind einige Verbesserungen im Detail zu verzeichnen, insgesamt aber herrscht Stagnation vor; die Zahl der gequälten Tiere, vor allem bei den Tierversuchen, ist sogar weiter angestiegen.
Tierschutz hat nur eine Chance, wenn dabei keine wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt werden. Und die Politiker fragen auch in diesem Bereich zunächst danach, inwieweit ihr Engagement Stimmen bringt und die Karriere fördert – was beim Tierschutz mit am wenigsten der Fall ist.
„Fortschritte sind in Bezug auf die Härte des Leidens und die immense Zahl der betroffenen Tiere unzureichend. Mechanismen wie fest verwurzelte Traditionen, Gleichgültigkeit der meisten, politische Manöver und ökonomische Zwänge sowie der sehr zögerliche ethische Wandel im Mensch-Tier-Verhältnis behindern die Verbreitung von Haltungsverbesserungen. Im ‚Nutztier’bereich werden Tierschutzaspekte stets gegen Aspekte der Preispolitik, Lebensmittelsicherheit, Produktqualität sowie Ansprüche der Bevölkerung abgewogen. Die Wirtschaft ist der Faktor, der den Fortschritt in der ‚Nutztier´haltung am stärksten behindert, da Haltungsverbesserungen oft die Produktionskosten erhöhen. Im Laborbetrieb kommt zu höheren Kosten der Widerstand gegen hygienische und experimentelle Veränderungen. Weitere Probleme sind der mangelnde Informationsfluss zwischen Forschenden, Industrie, Politikern und der Öffentlichkeit sowie widersprüchliche Forschungsergebnisse aufgrund großer qualitativer Unterschiede bezüglich Material und Methoden.
Fortschritte im Tierschutz ergeben sich meist dann, wenn die Veränderungen wirtschaftliche Vorteile bringen.“
(Pia Baumann, Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung)