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Das Schächt-Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Anmerkungen zur Auslegung und Anwendung

10.04.2002

 

Das Urteil vom 15.01.2002 sollte nicht (weiterhin) einseitig als generelle oder freizügige Schächt-Erlaubnis missinterpretiert werden, weil sonst übersehen wird, dass es bezüglich der Ausnahmegenehmigungen nach § 4 Abs. 2 Tierschutzgesetz zum Tatbestandsmerkmal der "zwingenden Vorschriften" strenge Auflagen enthält. So heißt es unter II 1: "Ob dieses Merkmal (der "zwingenden Vorschrift") erfüllt ist, haben die Behörden und im Streitfall die Gerichte als Tatbestandsvoraussetzung für die begehrte Ausnahmegenehmigung zu prüfen und zu entscheiden. ... Dabei reicht es aus, dass derjenige, der die Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs. 2 TierSchG zur Versorgung der Mitglieder einer Gemeinschaft benötigt, substantiiert und nachvollziehbar darlegt, dass nach deren gemeinsamer Glaubensüberzeugung der Verzehr des Fleisches von Tieren zwingend eine betäubungslose Schlachtung voraussetzt (vgl. BVerwGer 94, 82 <87 f.>)." ... "Bezugspunkt für diese Prüfung (der "zwingenden Vorschrift") sind aber bei einer Religion, die wie der Islam zum Schächtgebot unterschiedliche Auffassungen vertritt, nicht notwendig der Islam insgesamt oder die sunnitischen oder schiitischen Glaubensrichtungen dieser Religion. Die Frage nach der Existenz zwingender Vorschriften ist vielmehr für die konkrete, gegebenenfalls innerhalb einer solchen Glaubensrichtung bestehende Religionsgemeinschaft zu beantworten (vgl. auch BVerwGer 112, 227 <236>)."

Das bedeutet, dass Anträge, die - wie geschehen - lediglich mit dem Satz "Meine Religion schreibt mir zwingend das betäubungslose Schächten vor" nicht die vom BVerfGer aufgestellten Anforderungen erfüllen. Mit zutreffender Begründung hat deshalb das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 22.02.02 (Antragsteller versus Landrat des Kreises Lippe) einen Antrag auf einstweilige Anordnung zur Genehmigung des Schächtens abgelehnt, wie somit auch alle gleich- oder ähnlich lautenden Anträge abzulehnen sind.

Es heißt darin u.a.: "Die vom Antragsteller eidesstattlich versicherte Angabe in der Antragsschrift, der Fleischverzehr setze zwingend eine betäubungslose Schächtung voraus, ist nicht auf begründete Ausführungen gestützt, sondern eine bloße Behauptung." Es mangele "an einer zureichenden Substantiierung des Votrags." "Im Übrigen geht der Antragsteller auch nicht darauf ein, wie sich die behauptete Glaubensüberzeugung und das von ihm ausgeübte Schlachten nach vorheriger Betäubung sowie der Verzehr des so geschlachteten Fleisches zueinander verhalten."

Die Antragsteller müssen Nachweise über deren "zwingende Vorschriften" beibringen. Nur wenn die Prüfung der Nachweise ergibt, dass tatsächlich zwingende Vorschriften vorliegen, darf den Anträgen stattgegeben werden.

Der Islam beinhaltet weder in seiner sunnitischen, schiitischen, wahabitischen oder sonstigen Ausrichtung in irgendeiner Form eine "zwingende Vorschrift" für das betäubungslose Schlachten. Hier hat sich das BVerfGer bewusst einer Aussage enthalten, indem es die Prüfung, ob "zwingende Vorschriften" vorliegen, den Behörden auferlegt bzw. im Streitfall die Gerichte darüber entscheiden sollen. Das Urteil des BVerfGer ist also wörtlich zu nehmen, d.h. Anträge auf Ausnahmegenehmigungen sind abzulehnen.

Auch Sure 5, Vers 4, auf die in Anträgen verwiesen wurde, beinhaltet keinerlei "zwingende Vorschrift" zum betäubungslosen Schlachten. Sie besagt lediglich, dass Verendetes, Totes, Blut und Schweinefleisch für Muslime verboten sind.

Folgerichtig kommen in entsprechenden Rechtsgutachten die sunnitische Al-Azhar-Universität Kairo, die islamische Universität Ankara, ebenso der oberste Rechtsgelehrte der mitnichten als reformerisch bekannten Hisbollah (Schiiten des Libanon), Dr. Mohammed Hussein Fadlallah, der iranische Ayatollah Khamenei, der ebenfalls einen rigiden Islam vertritt, sowie extrem fundamentalistische wahabitische Rechtsgelehrte Saudi-Arabiens zu der Feststellung, dass eine Betäubung der Tiere vor dem Schlachten mit den religiösen Vorschriften des Islam vereinbar ist.

Der fundamentalistisch ausgerichtete "Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)" (mit 12.000 Mitgliedern der kleinste muslimische Dachverband bei 3,7 Millionen Muslimen!) strebt gleichwohl die politische Führungsrolle für alle Muslime an. In der Schächt-Frage hat er sich mit dem nach eigener Angabe 185.500 Mitglieder starken "Islamrat" zusammengetan zur "Kommission für islamisches Schlachten (KIS)", um, wie es im Programm der KIS heißt, "auf die Gesetzgebung in Deutschland einzuwirken." Der "Islamrat" wird laut Verfassungsschutzbericht (des Bundes und Nordrhein-Westfalens) von der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" dominiert, der größten islamistischen Organisation in Deutschland, die die religiös-politischen Ziele ihrer Mutterorganisation, der türkischen Tugendpartei, vertritt. Sie ist das Sammelbecken für die Anhänger der islamistisch-extremistischen Anhänger dieser Partei in Deutschland. Vor kurzem wurde auch bekannt, dass der "Islamrat" eng mit der vom libyschen Revolutionsführer Gaddafi ins Leben gerufenen "World Islamic Peoples Leadership" zusammenarbeitet. Diese fundamentalistische Organisation ist eine panislamische Sammlungsbewegung, die weltweit die Muslime zur Vorherrschaft bringen will (FAZ, 26.10.01).

Die KIS verhandelt zur Zeit mit den Behörden über die Ausgestaltung der Schächt-Vorschriften.

Dass sich der "Zentralrat" in Erklärungsnot für die Darlegung der "zwingenden Vorschrift" zum betäubungslosen Schächten befindet, zeigt die Tatsache, dass noch im September 2001 dessen Abgesandte den höchsten Würdenträger von weltweit 1,1 Mrd. Sunniten, Sheikh Dr. Tantawy von der Al-Azhar in Kairo aufsuchten, um von ihm eine Stellungnahme zu erhalten, dass das betäubungslose Schächten im Islam zwingend vorgeschrieben ist - was aber verweigert wurde.

Während im Orient, sogar in Saudi-Arabien, kulturelle Fortschritte im Tierschutz zu verzeichnen sind durch Betäubung der Tiere vor dem Schlachten, will in Deutschland eine radikale Minderheit aus machtpolitischen Gründen Schlachtpraktiken einer Beduinengesellschaft von vor 1.500 Jahren einführen.

Dem gilt es zu wehren. Und dieses Vorhaben einer Minderheit lässt sich auf völlig legalem Weg verhindern: nämlich durch buchstabengetreue Anwendung des BVerfGer-Urteils vom 15.01.2002.

Siehe auch Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über Schächten vom 15. Januar 2002 sowie Stellungnahme zur Legitimität und Legalität des Schächtens

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