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Tierschutz in der erweiterten Union? Fragen an Günther Verheugen

16.12.2003

 

Der Beitritt der zehn neuen Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 wirft aus Tierschutzsicht viele Fragen auf. Verbindet sich mit der entwicklungspolitischen Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Wachstumsschub zugleich die Sorge einer weiter voranschreitenden industriellen Tierausbeutung, wie sie quantitativ unser Verhältnis zu Tieren bestimmt, so richten sich Befürchtungen, abgesehen von grundsätzlichen Fragen im Bereich der Tiertransporte, vor allem auf die Übergangszeit bis zur Etablierung adäquater Kontrollsysteme. PAKT hat daher bereits im Vorfeld im Dezember 2003 EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen in nachfolgendem Brief nach dem Stand der Verhandlungen gefragt und so zuglich auf besonders kritische Problem des Tierschutzes aufmerksam gemacht.

 

Der Brief

Sehr geehrter Herr Verheugen,

da uns immer wieder Nachrichten über unhaltbare tierschutzwidrige Zustände in den Beitrittsländern erreichen (wie Vogelmord auf Malta, Gänserupfen in Ungarn an den lebenden Tieren oder die tragische Situation, die in einem "Tierauffanglager" in Nitra (Slowakei) herrscht), fragen wir uns, wie der Stand der in Aussicht stehenden Übernahme des EU-Tierschutzrechts in diesen Ländern ist, soweit es sich in den Richtlinien und Verordnungen der EU sowie den Empfehlungen des Europarats niederschlägt. Mit der Maastrichter Tierschutzerklärung (1992) und dem Amsterdamer Tierschutzprotokoll (1997) liegen bekanntlich juristische Rahmenbedingungen vor, die es nicht nur ermöglichen, sondern erzwingen, den Tierschutz in den Beitrittsländern wenigstens auf das Niveau des EU-Rechts zu heben.

Bei den Richtlinien denken wir an die über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, zum Schutz von Legehennen, Kälbern, Schweinen, Transporttieren, Schlachttieren und Versuchstieren. Von Bedeutung sind auch die Singvogelrichtlinie, die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie, die Verordnung zur Umsetzung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens und die Verordnung zum unionsweiten Verbot von Tellereisenfallen und der Einfuhr von Pelzprodukten aus Ländern, die Tellereisen verwenden.

Mit dem Beitritt der neuen Staaten entfallen ja für den Warenverkehr, somit auch für Tiertransporte, ab 1.5.2004 zwischen diesen Staaten und der jetzigen EU die bisherigen Kontrollen an den Ostgrenzen Deutschlands, Österreichs und Italiens, wodurch sich die Leiden, die diese Transporte für die Schlachttiere mit sich bringen, vergrößern. Bezüglich der neuen östlichen Außengrenzen der EU ist u.W. völlig offen, ob und wann an den zahlreichen neuen Übergangsstellen die erforderliche Infrastruktur vorhanden sein wird, um die notwendige Versorgung der Tiere sicherzustellen und um verletzten oder nicht mehr transportfähigen Tieren wirksam zu helfen. Zu fordern ist eine 24stündige Entladung aller Tiere an den Außengrenzen. Es darf nicht sein, dass die Einhaltung der Tierschutztransportrichtlinie während des gesamten Transports künftig nicht mehr verlangt wird. Je größer die EU, desto länger die unkontrollierten Transporte selbst in den Binnengrenzen. Stichproben wären ungenügend.

Über den Stand Ihrer Verhandlungen in Bezug auf die Tierschutzprobleme wird in den Medien nichts berichtet. Selbst im "Eurobulletin" der Eurogroup for Animal Welfare und den Reports der "Intergroup" ist darüber nichts zu erfahren gewesen, abgesehen von einem kurzen Bericht in der November-Ausgabe 2003 des "Eurobulletins", der sich aber hauptsächlich auf die Hennenhaltung bezieht. Der "Comprehensive Monitoring Report" geht nicht auf unser Anliegen ein, zu erfahren, wie es mit der Kooperationswilligkeit der neuen Staaten hinsichtlich der Verbesserung oder überhaupt Einführung des Tierschutzes (Gesetze??) steht, mit der erforderlichen Infrastruktur zur Einhaltung der Tierschutzbestimmungen der EU wie Veterinärämter in ausreichender Zahl und personeller Ausstattung.

In welchen Staaten wurden oder werden erstmals aufgrund der Beitrittsverhandlungen Tierschutzgesetze eingeführt und welchen Standard weisen diese auf?

Schließlich fragen wir uns als politischer Tierrechts-Arbeitskreis, welche Möglichkeiten uns verbleiben, zur der Realisierung des Tierschutzes in den Beitrittsländern auf EU-Ebene beizutragen.

Da Sie in dem Ruf stehen, dem Tierschutz aufgeschlossen gegenüberzustehen, hoffen wir auf eine positive Antwort.

 

Mit freundlichem Gruß

Edgar Guhde
Vors. PAKT e.V.

 

Die Antwort

Mit Schreiben vom 28. Januar 2004 antwortete der Referatsleiter im Auftrag des EU-Kommissars wie folgt:

Sehr geehrter Herr Guhde,

danke für Ihren Brief vom 16. Dezember 2003. Herr Verheugen hat mich gebeten, auf Ihr Schreiben zu antworten.

Der Tierschutz hat für die Europäische Union einen hohen Stellenwert. Mit dem im Vertrag von Amsterdam verankerten "Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der 'I'iere" wurden neue Grundregeln für Maßnahmen der Gemeinschaft im Tierschutzbereich formuliert. Damit werden Tiere als fühlende Wesen anerkannt. Im Protokoll werden aber gleichzeitig die Grenzen der gemeinschaftlichen Rechtskompetenz definiert. Bestimmte Tierschutzaspekte, die nicht im Zusammenhang mit den im Vertrag geregelten Bereichen stehen, fallen weiterhin in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten.

Die Europäische Kommission hat in den Beitrittsvorbereitungen großen Wert auf die Einhaltung der geltenden EU-Bestimmungen im Bereich Tierschutz gelegt. Geltendes EU-Recht wird in den zukünftigen Mitgliedstaaten zu einem erheblichen Beitrag zur Verbesserung des Tierschutzes führen. Diese Bestimmungen betreffen in besonderem Maße den Schutz von landwirtschaftlichen Nutztieren in der Haltung, beim Transport und zum Zeitpunkt der Schlachtung bzw. Tötung.

Ferner, hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates zum Schutz von Tieren beim Transport erarbeitet, die derzeit mit den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament diskutiert wird. Diese neue Verordnung wird die Transportbedingungen für Tiere innerhalb der EU erheblich verbessern und ein besonderes Augenmerk auf die aus Drittstaaten importierten Tiere legen. Einzelheiten zum Stand der interinstitutionellen Verfahren und weitergehende Informationen zu diesem Thema können Sie unter folgender Internetadresse nachsehen: http://europa.eu.int/comm/food/animal/welfare/transport/index_de.htm.

Der im November 2003 veröffentlichte "Comprehensive Monitoring Report" gibt einen Überblick über den jeweiligen Stand der neuen Mitgliedsstaaten zur EU-Konformität im Bereich Tierschutz unter dem Verhandlungskapitel 7, Landwirtschaft, Veterinär- und Phytosanitäre Fragen.

Um so mehr möchte ich an dieser Stelle die Rolle von Nichtregierungsorganisationen hervorheben. Diese Gruppen können und sollten auf die entsprechenden Regierungen einwirken, um dem Tierschutz, auch soweit er nicht durch EU-Recht geregelt ist, einen größeren Stellenwert zu geben.

 

Hochachtungsvoll,

Ricardo Pascal Bremon
Referatsleiter

 

 

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