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Betrifft: Stierkampf-Ausstellung im Europäischen Parlament

 

Anlässlich der für den 4./5. Juni 2008 im Europaparlament in Brüssel geplanten Stierkampf-Ausstellung hat Edgar Guhde, Vorsitzender des PAKT e.V., nachfolgenden Brief an die Mitglieder des Europäischen Parlaments geschrieben.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

für Juni plant die Stierkampf-Lobby im Europäischen Parlament eine Ausstellung, um den Stierkampf als erhaltenswertes Kulturgut und bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu positionieren und seine Philosophie oder Ethik darzulegen. Wir bitten Sie, genau hinzusehen und sich Ihr eigenes Urteil zu bilden und insbesondere auch die Aspekte einzubeziehen, die Ihnen verschwiegen werden. Bitte bedenken Sie auch, inwieweit sich der Stierkampf mit Ihren übrigen Werten seien sie christlicher, liberaler oder sozialistischer Tradition vereinbart. Wir meinen, der Stierkampf kann sich nur auf eine allerdings zu überwindende - Tradition berufen, das sog. Recht des Stärkeren, der meint, aufgrund seiner Überlegenheit mit allen Schwächeren nach Belieben verfahren zu dürfen. Aber dieses vermeintliche Recht des Stärkeren hat in einer europäischen Zivilgesellschaft, die diesen Namen verdient, nichts zu suchen.

Anders als behauptet, hat Stierkampf weder mit Ethik noch mit Tapferkeit zu tun, das belegen schon die vielfach dokumentierten Präparationen, der Stiere vor dem sog. Kampf, wie Einreiben von Ölen oder ätzenden Stoffen in die Augen und Nüstern, Hunger und Durst, Schläge und andere Misshandlungen, Absägen der Hornspitzen um ihre Reaktionen in der Arena behindern. Die Technik des Stierkampfes nutzt nur aus, dass die Tiere aufgrund der Position ihrer Augen ein eingeschränktes Gesichtsfeld haben, d.h., dass sie nicht sehen können, was direkt vor ihnen ist. Die ganze Kunst des Toreros besteht also darin, mit seinem Tuch den Stier zu reizen, dabei aber mit dem Körper im toten Winkel der Wahrnehmung des Tieres zu bleiben. Es wird also eine naturgegebene Behinderung eines Lebewesens ausgenutzt, dies ist nicht tapfer, sondern perfide und feige. Es gab auch Zeiten und soziale Verhältnisse, in denen man mit Behinderungen von Menschen, wie z.B. Kleinwuchs, Scherze trieb. In diese zum Glück vergangenen Zeiten der Hofnarren und Leibzwerge gehört auch der sog. Stierkampf, der überhaupt kein Kampf ist sondern ein ritualisiertes Abschlachten, bei dem höchstens ein ganz ungewöhnliches Missgeschick seines Peinigers dem Stier einmal den Hauch einer Chance gibt.

Interessant wäre auch einmal zu lesen, wie die Produzenten des pseudo-philosophischen Kitsches über Tod, Erotik, Tapferkeit, Grenzerfahrungen etc... etc... denn die allgegenwärtigen Dorffiestas kommentieren, bei denen kleine Kälber tapfer von Kindern mit Scheren und Messern traktiert werden, Kühe oder Stiere tagelang gequält, ins Wasser getrieben, wieder herausgezogen, geschlagen, mit Messern und Wurfgeschossen wie z.B. Feuerwerkskörpern attackiert, dann nicht jedes Dorf kann sich schließlich seine eigene Kuh leisten auf einem LKW zur nächsten Fiesta gekarrt werden, um dort vielleicht als toro embolado, mit brennenden Wergballen auf dem Kopf zu enden.

Gewiss, es gibt Menschen, die für die Leiden anderer Lebewesen unempfindlich sind oder sogar ein sadistisches Vergnügen daran finden. In viel größerer Zahl sind aber die Menschen, die Mitgefühl haben, Ekel und Abcheu empfinden und seelisch unter der allgegenwärtigen Tiermisshandlung leiden. Wie sehr das Lebensgefühl vieler Spanierinnen und Spanier durch diese im Namen angeblich ihrer Kultur begangenen Untaten beeinträchtigt wird, wissen wir durch unsere Kontakte dort. Die spanische Kultur gehört nicht den Stierkampfbefürwortern, und die Kritik am Stierkampf hat ebenfalls eine lange Tradition dort - man denke an den republikanischen Ministerpräsidenten (1936/37) Francesco Largo Caballero.
Wir Europäer und Europäerinnen wollen nicht auf Kosten anderer Lebewesen die hässlichen Überreste einer überlebten Macho-(Un)kultur am Leben halten und schon gar nicht mit unseren Steuergeldern. Neben Tieren sind ja gerade Frauen und Kinder ebenfalls Opfer dieser machistischen Gewaltverherrlichung. Wir fordern daher alle Abgeordneten des Europäischen Parlamentes auf, keine Steuermittel mehr für die Zucht sog. Kampfstiere auszuweisen.
Dass es ohne Stierkampf keine Kampfstiere mehr gäbe, ist eine sehr durchsichtige Behauptung, denn - falls Artenschutz überhaupt in Betracht käme - dann könnten auch hier erfolgreiche Wildtierschutzkonzepte angewandt werden. Man müsste es nur wollen.

Eine Frage noch an die Vertreter der christlichen Parteien im Europäischen Parlament: Christliche (insbesondere katholische) Studenten lehnten und lehnen das Mensurenschlagen (früher trotz mancher sozialen Nachteile wie mangelnder Satisfaktionsfähigkeit) ab, weil es aus christlicher Sicht eine sündhafte mutwillige Selbstfährdung darstellt. Was ist der sog. Stierkampf anderes? Können Sie es mit Ihrem christlichen Gewissen verantworten, diesen aus Steuermitteln zu unterstützen?

Wenn allen Ernstes der Stierkampf zu einer Auseinandersetzung mit dem Todesproblem hochstilisiert wird, so schlagen wir diesen Autoren Gespräche mit einsamen alten Menschen vor, das ist zwar weniger bequem, aber humaner und sozial sinnvoll.

 

Dipl.-Pol. Edgar Guhde

 

 

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